Ozeansegeln. Reiseaufzeichnungen

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polen, eine zwischeninsel, sicherheitsversuch und das ende einer reise
in kolberg gabe es noch eine überraschung: vor uns lag eine first 53f5, auf der ich vor inzwischen dreizehn jahren bei einem überführungstörn von nantes nach gran canaria mitgesegelt bin. ein wirklich verrückter zufall. das kurze gespräch mit den (inzwischen neuen) eignern bestätigte diese vermutung - es war tatsächlich das gleiche schiff. auf dem törn damals war noch ein typ dabei, der von den kanaren aus per segelboot-anhalter in die karibik und dann weiter bis chile wollte. deshalb hatte er kopien aus einem buch mit dem titel the seagoing hitch-hikers handbook dabei. in diesem buch sind die wichtigsten fahrtenhäfen der welt benannt und beschrieben, insbesondere die spots, an denen man die skipper trifft, die evtl. noch crew suchen. er selbst bekam auf madeira dann einen anruf von einer verflossenen liebe und flog kurz entschlossen von madeira aus zurück nach berlin. mir überließ er die kopien, und so fand ich in las palmas die yacht, auf der ich dann in die karibik segelte.
polen war nach der schönen insel bornholm mit den niedlichen häusern und den ruhigen häfen ein ziemlicher bruch. im hafen von kolberg waren alle kais in betrieb, riesige schleppnetzfischer legten an und ab, wurden von lkws gelöscht, am kai gegenüber wurde kräftig gebaut und daneben lag ein großer frachter, der von langen, dünnen kränen tag und nacht beladen wurde. ähnlich war es in swinemünde, wo der hafen noch größer ist. an der hafeneinfahrt wird hier auch mit schwerem gerät gebaut und es sieht so aus, als entstünde hier ein neuer tiefwasserhafen. auch an land vieles anders, erstmal natürlich die sprache, dann auch das geld, und die preise, vor allem in kolberg, aber auch noch in swinemünde. zum teil ist es, als würden unsere klischees wirklich bestätigt, man müsste nochmal genauer hinschauen, weil insgesamt sind wir dazu wohl etwas zu erschöpft von den langen fahrten.
bei der ausfahrt aus swinemünde zieht ein heftiges gewitter von land über see und mir rutscht das herz wieder in die hose. kein wetter, das mir unbehaglicher ist, als gewitter. aber die schwarze wolke zieht vor uns vorbei und wir rutschen aus der swinemündung die westküste der pommernbucht entlang nach nordwesten, bevor das nächste gewitter dann hinter uns durchzieht. auch bei unserer ankunft hatte es über swinemünde oder überm oderhaff gewittert, und mir schien, als sei das auch den geografischen besonderheiten geschuldet. später jedenfalls klarte sich der himmel auf und kurz vor peenemünde sprangen wir bei badewetter nochmal ins wasser, an der grenze zwischen bodden und ostsee. dabei noch ein langerwarteter versuch - ein sprung ins wasser mit einer der rettungswesten an. ich hab mich immer schon gefragt, wie das ist, wenn eine automatische rettungsweste aufgeht, ob sie überhaupt aufgeht, und wie sie dann aussieht und sich anfühlt im aufgeblasenen zustand und wie man damit schwimmt. und aufgehen tut sie jedenfalls. es dauert so zwei bis drei sekunden bis die automatik auslöst, aber dann bläst sich die weste recht schnell auf. ich höre, wie die klettverschlüsse aufgehen und sich der schwimmkörper mit luft füllt. die weste habe ich relativ locker angelegt, und ich habe auch nichts direkt drunter, bin deshalb erstaunt, wie fest sich der schwimmkörper um den hals legt und dass das gurtzeug sich um den oberkörper etwas stramm zieht. das ist bestimmt gut, weil der kopf natürlich unbedingt über wasser gehalten werden muss, trotzdem lasse ich erstmal etwas luft ab, um das beengende gefühl um die kehle loszuwerden. beim schwimmversuch trägt die weste sehr gut und ich kriege den kopf nicht unter wasser. nur mit mühe kann ich mich überhaupt auf den bauch drehen, die weste dreht mich aber sofort wieder in eine stabile rückenlage. schwimmen kann ich mit der weste deshalb auch nur auf dem rücken. man sieht dann nicht, wohin man schwimmt, muss ab und zu den kopf recken.
auf jeden fall hab ich bei diesem versuch ziemlich viel über die weste gelernt - welche mechanismen wie funktionieren, wie sich die weste anfühlt, wo genau das ventil sitzt und mit welchen handgriffen es funktioniert, wie der schwerpunkt sitzt im aufgeblasenen zustand und wo der bergegurt befestigt ist, welche festigkeit der stoff des schwimmkörpers hat und wie man mit der weste im wasser schwimmt. Und das ist, weil es eins der wichtigsten rettungsmittel ist an bord, eine gute sache. in zukunft werde ich das bei der sicherheitseinweisung mit berücksichtigen können. wenn ichs mir genau überlege, könnte das echt eine übung sein, die bei der ausbildung zum sportküstenschifferschein oder zum sportseeschifferschein auch eine rolle spielen könnte. wobei es eben das problem von all diesen sportbootausbildungen ist, dass die ausbildungsinhalte wegen des preisdrucks der segelschulen in viel zu kurzer zeit vermittelt werden und die praxis (in einem emphatischen sinn einer praxis, die das ausprobieren und kennenlernen von techniken und material beinhaltet) zu kurz kommt.

später am nachmittag laufen wir bei null wind im hafen der insel ruden ein, machen zwischen zwei booten, die schon da sind, fest. überlegt hatten wir, bis greifswald zu laufen, aber der gedanke an das klare ende der reise schreckt uns alle ab, wir brauchen diesen zwischenhalt auf dieser insel zwischen ostsee und bodden, für uns auch zwischen schweden+bornholm+polen und schland, um nicht zu abrupt aus dem unterwegssein gegen das ende zu rutschen. später am abend sitzen wir an der mole, trinken und singen, a. und n. zwischendurch mit balkan-beatbox-sprechgesang, unser gruß raus aufs meer und an die ferne und weite, aus der wir gekommen sind.
der letzte schlag dann über den greifswalder bodden, einlaufen in bekannte gewässer, für die ich keine seekarte mehr brauche, erst unter motor, der letzte große schlag dann aber bei schönstem wind und sonne stabil unter segeln bis vor die hafeneinfahrt, wo wir die vier-uhr-brücke gerade verpassen und eine halbe stunde vor dem hafen treiben, letzte blicke aufs wasser werfen, um kurz vor fünf dann hinterm fahrgastschiff in den hafen einzulaufen, die brücke zu passieren, den ryck hochzufahren, dann sind wir fest, zurück, ende der reise.

27. Aug. 2011

starkwindsegeln pt. 2
heute 55 sm quer über die ostsee, von bornholm nach kolobrzeg. morgens früh um sechs aufgestanden. beim morgenkaffe blitzt und donnert es erstmal, und es regnet. als das kleine gewitter abgezogen ist, starten wir los. draußen schon westwind, drei beaufort, und wir setzen alle segel. die wir aber ziemlich schnell wieder einreffen. erst geht das groß ins erste reff, dann tauschen wir die große fock gegen die kleine und bis zum frühen nachmittag haben wir alle drei reffs ins groß gebunden, segeln bei fünf bis sieben windstärken mit halbem wind in richtung polen. hatten wir anfangs noch mit einer unangenehmen kreuzsee zu kämpfen, schwächt sich das wellensystem aus süd im lauf des tages ab, wobei sich die windsee gleichzeitig immer höher auftürmt, sodass wir bei einigen freak waves im wellental den horizont nicht mehr sehen können, nur noch den nächsten wellenberg, der sich in luv auftürmt. den halbwindkurs können wir bei diesen ausnahmewellen, die immer gleich zu mehreren anrollen, nicht mehr halten, und müssen dann gelegentlich abfallen, damit sich das boot nicht zu sehr auf die seite legt. aber mit den wenigen segeln lässt sich das boot gut, stabil und sicher durch die wellen steuern, sodass wir nach einiger zeit diese grandiose wellen- und seelandschaft in ihrer ganzen wildheit und gewalt genießen können. die segelmanöver funktionieren auch auf see sehr gut und in keinem moment gibt es gefährliche situationen. das gestern gesetzte babystag stabilisiert den mast deutlich und so habe ich auch wegen dem rigg keine sorgen mehr. haarig ist am ende noch die einfahrt in den hafen von kolberg. aus der einfahrt steht eine starke strömung nach draußen, in der sich die wellen aufsteilen und brechen. dazu flaut der wind so dicht unter land etwas ab und mit unseren wenigen segeln haben wir nicht mehr genug druck, um gut gegen die starke strömung anzukommen. am ende schiebt uns der motor mit rein, bis wir im fischereihafen, der hier nicht stillgelegt sondern im gegenteil höchst lebendig ist, die segel bergen und längsseits an einem kutter festmachen, der dort liegt, wo in der karte ein yachthafen eingezeichnet ist. jetzt liegen wir hier mittendrin. drüben die industrie mit einem schleppnetzfischerboot nach dem anderen, die mit den süßen kleinen dänischen kuttern so gar nichts mehr zu tun haben, und hier auf unserer seite noch eine kleine miniburg mit schlagertanz heut abend, von wo die jungen pärchen hand in hand aus dem abend spazieren.

22. Aug. 2011

starkwindsegeln
gestern mit dem abklingenden sturm auf der leeseite der insel an die südspitze gesegelt. die wettervorhersage hatte abnehmenden nordwestwind angekündigt, als wir gegen zwei rausfuhren wehte es aber, anders als vorhergesagt, noch mit sieben beaufort. anfangs liefen von hinten auch noch die hohen wellen an, die ums kap herum einschwenkten, hohe, lange wellen, die uns gut vorwärts schoben, später blieb nur die windsee. vor der ausfahrt hatten wir schon das dritte reff ins groß gebunden, falls wir beim letzten schenkel auf nexö - unser tagesziel - zum luven das groß bräuchten. draußen setzten wir dann aber nur die kleine fock, die uns mit konstant sechs bis sechseinhalb knoten bei raumem wind nach süden zog. zwischendurch wehten starke böen von der steilküste und den hügeln heran und drückten das boot die wellen hinab. anfangs hatte ich deshalb sorge, aber das boot verhielt sich mit dem kleinen segel so stabil wie wir es uns nur wünschen konnten. mit kleinen luvbögen segelten wir die langgezogenen buchten vornholms etwas aus, passierten die kaps nahebei und begegneten mehreren frachtern, die vor dem anhaltenden stürmischen westwind der letzten tage schutz suchend vor anker in lee der küste lagen.
bald nach uns lief noch eine weitere segelyacht aus, die uns dann langsam näher kam. aus der ferne sah es aus, als hätte die yacht mehr segel gesetzt als wir. fünf seemeilen südlich von allinge passierten wir ein kap, an dem ein kleiner hafen liegt. die hohen wellen liefen quer an der einfahrt vorbei und ich dachte noch, dass ich dort jetzt nicht einlaufen wollen würde. kurze zeit später sahen wir, wie die andere yacht die segel barg und tatsächlich doch in den kleinen, bestürmten hafen fuhr.
hinter dem kap wurde es dann langsam ruhiger, das boot schob sich mit dem kleinen vorsegel durchs wasser, manchmal drückte uns eine böe auf die seite. im schutz der insel liefen wir dann nexö an.
der hafen von nexö ist bei allen winden gut geschützt, die ansteuerung ist bei starken nordöstlichen winden problematisch, aber wahrscheinlich gut machbar. in der einfahrt ist es mindestens fünf meter tief, sodass auch bei etwas höheren wellen ausreichend wasser bleibt, und für yachten ist die einfahrt, die auch für kleinere fähren und große fischerboote gemacht ist, ziemlich breit.
nach dem ruhetag heute bei sonnenschein und südwind haben wir uns für morgen die große tour nach polen vorgenommen. angesagt ist leichter südwind, der noch vor mittag auf west bis nordwest drehen und dann auf vier beaufort auffrischen soll, sodass wir die strecke zügig schaffen sollten. es ist die letzte große überquerung dieses jahr. danach bleiben noch drei tage, um nach hause zu kommen.

21. Aug. 2011

abschluss der alleinfahrt, gegenan, bornholm
die reise geht schneller voran als ich hier schreiben kann. der letzte tag alleinfahrt aus der ankerbucht nach sölvesborg die meiste zeit gegenan. mit großer fock und groß im ersten reff gestartet, aber schon gleich bei der einfahrt aus der landabdeckung in die passage zwischen der insel hanö und dem festlang frischt der wind deutlich auf und wir stampfen gegen eine ein meter hohe windsee an. ich reffe erst das groß ein, und wie um zu beweisen, dass sie auch mit welle alleine klar kommt, segelt aimé mit der großen fock und festgelegtem ruder stabil durch die steilen wellen, sodass ich das großsegel in ruhe einreffen kann. weil das noch nicht reicht, berge ich vor hanö das vorsegel und setze die kleine fock. in der steilen welle arbeitet das vorschiff stark und das manöver wird dadurch sehr anstrengend. ein anderer segler segelt nahe vorbei und beobachtet, was ich da mache bei dem segelmanöver so dicht vor der küste. mit der starkwindbesegelung kommen wir gut aus der düse, nur flaut danach der wind so deutlich ab, dass die große fock wieder gesetzt und das großsegel ausgerefft werden muss. anstrengend. zwischendurch mache ich mir noch schnell ein brot und eine dose erbsen, während aimé mit festgelegtem ruder gegenan fährt. das boot geht gut durch die wellen und nach der starkwindpassage entspanne ich mich wieder und genieße das segeln bei gutem wind und schönem wetter. die einfahrt nach sölvesborg dann ohne probleme, im hinteren hafenbecken berge ich die segel und bereite das boot zum anlegen vor, und netterweise nimmt der hafenmeister beim anlegen die leinen an - ich bin erschöpft und froh über den guten abschluss der alleinfahrt. am abend kommen n. und a. an bord, freudiges wiedersehen am bahnhof und beginn des letzten teils der reise.

gegenan

letztes jahr war unser erster segeltag übel erschöpfend. dieses jahr soll es anders sein und ich habe nur einen kurzen törn eingeplant. bei 3 beaufort soll es elf meilen in den nächsten hafen, nach ahus, gehen. südwind ist vorhergesagt, und der wind kommt auch aus dieser richtung. nur die drei beaufort sind etwas zu niedrig angesetzt - es weht mit fünf bis sechs und vor der langgezogenen bucht von sölvesborg hat sich eine hohe und steile welle aufgebaut, gegen die wir unter motor in der fahrrinne bald nicht mehr ankommen. also setzen wir segel - a. und n. bewegen sich schon fast sicher auf dem vorschiff, immerhin ist es der erste tag, und setzen die segel schnell und smooth, sodass wir uns mit kleiner fock und doppelt gerefftem groß gegen die für den wind viel zu hohen wellen mühsam von der küste freikreuzen können.
nach zwei stunden harter arbeit liegen wir endlich ahus an. das boot hat trotz der hohen wellen immerhin noch einen wendewinkel von knapp hundert grad, was mich sehr freut, schließlich sind gute kreuzeigenschaften in solchen situationen auch ein sicherheitsaspekt.
gegen abend nimmt der wind etwas ab, die einfahrt nach ahus deshalb ohne probleme. vor uns segelt eine ganze reihe von optis in den hafen. sie legen am südufer an, das idyllisch mit schilf bewachsen ist, dazwischen liegen ein steg und die slipanlage, wo die kleinen boote auf die slipwagen gelegt und zum bootshaus gezogen werden, das aus groben holzbohlen gebaut ist.
gegenüber, auf der nordseite, ein hoher betonkai, für große frachter, direkt dahinter eine reihe riesiger silos und fabrikanlagen, tierfutterproduktion, und mehrmals fährt ein lkw vorbei, auf dem dick das logo von absolut wodka prangt.
im hinteren teil des hafens dann der gasthafen und der örtliche segelclub. der gasthafen liegt direkt neben einer fabrikhalle, in der um kurz nach acht, während wir vorbei fahren, noch laut gearbeitet wird. deshalb legen wir uns in eine freie box des segelclubs auf der idyllischen hafenseite, und weiter hinten, wir wollen ruhig schlafen, schließlich haben wir für den nächsten tag eine lange überfahrt geplant.

bornholm

weil wir am abend und am morgen niemanden antreffen und das hafengeld nicht einfach beim hafenmeister an die tür hängen wollen, weil der laut schild erst am späten nachmittag kommt, zahlen wir nicht und fahren los, dankbar für die gastfreundschaft. ein anderer segler, der mir die bedienungsanleitung für die windfahnensteuerung kopiert und geschickt hat, und der dafür nicht mal das porto von mir haben wollte, meinte dazu, das ist okay, das kommt irgendwann wieder zurück. kreislaufdenken. gilt auch hier.
im vorhafen setzen wir die segel und laufen vor dem wind durch die fahrrinne, bevor wir dann auf südkurs richtung bornholm gehen. mit halbem wind unter vollzeug kommen wir sehr gut voran und haben gegen mittag schon simrishamn querab, als der wind einschläft. nach einer stunde unter motor kommt wieder etwas wind auf, wir setzen voller hoffnung den blister, aber zehn minuten später ist das wasser wieder spiegelglatt, bewegt nur noch von einer alten, kabbeligen see, deren wind sich seit tagen schon ausgeweht hat. nach dem kalten tag gestern ist es in der sonne richtig heiß. mit zwei leinen basteln wir eine behelfsmäßige einstiegshilfe und gehen schwimmen. die ostsee ist hier tief, so tief, dass das echolot keinen grund mehr misst. also ein sprung in die tiefe, schwimmen im baltischen ozean.
am ende ist nur n. noch im wasser, planscht nahe beim boot, als ich plötzlich was höre, ein schnaufen, und achteraus einen kleinen strudel sehe. ein delphin! denke ich, bin mir aber nicht sicher, rufe n. mit leicht panischem unterton in der stimme zu, dass es vielleicht besser wäre, sie käme an bord. vorher hatten wir noch über unser aller angst vor großen fischen in tiefen gewässern gewitzelt. jetzt ist einer da! n. klettert an bord, und während sie noch ihr rechtes bein im wasser hat, taucht achteraus ein kopf aus dem wasser und schnauft. ein seehund, hier mitten auf dem meer, zwanzig meilen von jedem land entfernt. eine große freude bricht aus über den seltsamen besucher, der offenbar ein echtes interesse an uns entwickelt, sich aber nicht traut, näher zu kommen. bestimmt eine halbe stunde lang beobachtet er uns aus sicherer distanz.
bald kommt wind auf, diesmal aus südwest, amwindkurs, und wir setzen wieder die segel. richtung bornholm sind schon einige schaumkronen zu sehen, also setzen wir die große fock und das groß ins erste reff. was sich als richtige entscheidung erweist. innerhalb von zehn minuten frischt der wind so auf, dass wir erst das großsegel ins zweite reff und dann noch die kleine fock setzen. bei fünf bis sechs beaufort baut sich schnell die zugehörige welle auf und wieder arbeiten wir uns gegenan auf unser ziel zu. schon zwanzig meilen vor dem ziel ist die silhouette der insel zu erkennen, während langsam das südöstliche ende von schweden im dunst verschwindet. vier ermüdende stunden dauert die fahrt, erst gegen ende raumt der wind etwas, und als wir das kap passiert haben, werden auch die wellen weniger. im schatten der insel segeln wir bis kurz vor die hafeneinfahrt und bergen dort bei flachem wasser beide segel.
allinge ist der erste für uns anlaufbare hafen auf der norostseite von bornholm. weil der wetterbericht für den nächsten tag starkwind um sieben beaufort angesagt hat, wollen wir auf die ostseite, um dort geschützt einen tag liegen zu können. der hafen selbst ist bei allen windrichtungen sicher, aber vor allem bei westlichen winden liegt man dort im windschatten der insel und der häuser, die am hafen stehen, sehr ruhig. der innere hafen ist schon voll belegt, trotzdem legen wir uns auf anraten des hafenmeisters nicht ins äußere becken, sondern gehen bei zwei netten schweden längsseits.
nach bornholm wollte ich schon lange mal mit diesem schiff segeln, und jetzt sind wir also hier, alle vier. liegen jetzt, am abend, während der wind durch die wanten pfeift, sicher und ruhig, haben heute, am ruhetag, eine wunderschöne wanderung zur nordspitze der insel gemacht, wo die sturmwellen sich an den zerklüfteten felsen bricht, haben über das mit schaumkronen übersäte wilde meer geblickt und die schnell ziehenden wolken beobachtet, haben vom wohnen in einem der häuser geträumt, die draußen am leuchtturm stehen und sämtlich zu verkaufen sind, und liegen jetzt schon fast im bett und schlafen. morgen wollen wir weiter zur südspitze, um einen guten ausgangspunkt für die nächste große überfahrt zu suchen.

19. Aug. 2011

vor anker
vor dem loskommen in karlshamn noch eine böse überraschung: als ich den täglichen schub aus der fettpresse für die welle drücken will, sehe ich einen guten liter diesel in der motorbilge. ätzend. das kommt eben vom volltanken. bei genauer prüfung, wo das zeug herkommt, stellt sich raus, dass die befestigungsmuttern des inspektionsdeckels sich gelockert haben. also mach ich sauber und zieh die muttern wieder fest. danach denke ich fast ernsthaft darüber nach, ob ich den diesel gegen einen elektromotor tauschen soll. die neuste technik erreicht bisher ungeahnte effizienzwerte und ein elektromotor mit 20 ps ist um ein vielfaches kleiner als der diesel. und die brennstoffmischung an bord wird um mehrere faktoren - diesel und motoröl -verringert. dazu kommt, dass die in booten verbauten industrieelektromotoren quasi wartungsarm sind (mache ich eigentlich gerade werbung für elektromotoren? das ist keine absicht). aber wie dem auch immer sei, bis der lottogewinn da ist bleibt der diesel wohl drin. und bisher ist der motor selbst extrem zuverlässig. springt sofort an, läuft rund, ist ja auch fast nagelneu - keine 230 stunden gelaufen bis jetzt.
merkwürdig ist nur, dass der tank, als eigentlich wenigstens hundert liter hätten reinpassen sollen, mit 54 litern wieder komplett voll war (der ausgelaufene diesel bestätigt das noch). irgendwas stimmt also an meiner verbrauchsrechnung nicht. die differenz würde bedeuten, dass der motor gerade mal die hälfte verbraucht. das kann aber fast nicht sein. so where is the bug in this algorithm?

als ich in karlshamn vom stadtbummel und einem bibliotheksbesuch zurück kam (das große plus in karlshamn neben der schönen kirche: in der örtlichen bibliothek bekommt man für umme eine gastzugang fürs wlan!), hatte der wind so gedreht, dass die abgase aus der fabrik direkt über den hafen wehten. oder anders: es stank erbärmlich. keine ahnung, was sie da verarbeiten, man sieht direkt am kai mehrere riesige silos und mehrere rauchende schlote auf gebäuden, die mit unglaublich vielen dicken und dünnen leitungen miteinander verbunden sind. ständig fahren irgendwelche tanklastwagen aufs gelände, liefern aber wohl kein öl, sondern irgendwas anderes, oder nehmen was mit, das erschließt sich von weitem nicht so gut.
am vormittag hatte sich die frau vom zweimaster nebenan (der mann hatte mir beim anlegen geholfen und überhaupt gesagt, dass das liegen da kostenlos sei) sehr skeptisch übers alleinfahren geäußert und noch hinzugefügt, sie wolle mir nicht zu nahe treten, bestimmt sei ich ein guter segler, aber die manöver, die manöver, das sei doch allein gar nicht zu machen. mich lehrt die erfahrung etwas anderes: die manöver sind alleine gut zu machen. haklig wird es nur bei unruhiger see und höheren wellen, weil dann das boot von alleine nicht mehr lang genug auf kurs bleibt, um entspannt unter segel das groß ein- und auszureffen. vorsegel bergen und setzen geht eigentlich unter fast allen bedingungen, nur je höher die wellen und je stärker der wind, desto schneller legt sich das boot wieder quer, und desto schneller muss also das segel geborgen sein. aber je mehr wind und wellen, desto kleiner auch das vorsegel, und weil ab fünf windstärken immer schon die kleine fock oben ist, ist der vorsegelwechsel deutlich besser zu machen als die arbeit mit dem groß. was deshalb als nächstes her muss, ist ein zuverlässiger autopilot. weil auch die navigation in etwas komplizierteren gegenden sonst nervig wird - immer nur wenige minuten unter deck, dann wieder oben kurs korrigieren, das strengt an mit der zeit.
mit dem rausfahren aus dem hafen gings mir dann gleich besser. ich hatte richtig lust, noch ein paar stunden zu segeln, irgendwohin, wo es ruhig ist und das boot nicht so derbe in die seile ruckt und in die fender drückt. an der ansteuerungstonne segel gesetzt, hoch an den wind gegangen und ein stück raus auf die ostsee gesegelt. in luv zog sich eine dicke wolke zusammen, regenschleier war zu sehen. die zugbahn von solchen dicken wolken lässt sich an der küste oft nicht voraussagen. die durchfahrt zwischen hanö und dem festland war direkt in luv von uns, und die wolke zog sich von hanö aus bis weit über die landzunge hin. ich segelte erstmal ein stück raus, mit der hoffnung, die wolke umfahren zu können. bald lockerte der himmel sich über der durchfahrt etwas auf, ein teil der wolke blieb über hanö hängen, der andere, deutlich größere, dunklere teil zog langsam in windrichtung auf karlshamn zu, das vier seemeilen achteraus lag. über land vertiefte die wolke sich weiter, deutlich war jetzt auch die irritation im atmosphärischen geschehen zu spüren - der wind drehte langsam, wurde böig. das wolkenbild zeigte an, dass sich in der großen dunklen böenwolke eine art lokales druckzentrum bildete, der wind drehte sich um dieses zentrum langsam ein, die wolke blieb an der landkante hängen und stand fast stationär dunkel drohend knapp in lee von uns. zog sie wieder aufs meer raus? zog sie ab? eine weile war das nicht zu sagen. der abgespaltene teil über hanö nahm dabei eine andere richtung und zog auf uns zu, schwächte sich dann aber über see deutlich ab, regen blieb aus. währenddessen vertiefte sich das geschehen über land nochmal deutlich, klar waren mehrere böenkrägen unterhalb der wolke zu erkennen, durch die thermische dynamik der küste ballte sich das ganze wolkenband weit nach oben. der wind hatte inzwischen so stark gedreht, dass wir über stag gingen und jetzt fast parallel zur schauerwolke segelten, die sich jetzt über karlshamn mit einem schauer entlud. längs der küste hingen überall weitere regenschleier, und langsam wurde die wolke damit leichter, überwand die landkante und zog kurze zeit später leewärts ab. der wind drehte nach und nach wieder zurück auf west, es blieben harmlose weiße wolkenbänder weit entfernt im inland, die langsam aufs meer hinaustrieben und sich dort auflösten.
kurz vor sonnenuntergang fiel der anker in einer kleinen, zum meer hin offenen bucht. später dann erste sterne in der dämmerung, und in der nacht der helle mond, der eine glitzernde straße zur insel hanö aufs wasser malte und die segel und das deck im fahlen licht leuchten ließ.
jetzt liegt das boot mit mir hier vor anker in der sonne, mit einer schönen brise aus nordwest, beste bedingungen zum losfahren, und angesichts der kommenden woche, die gleichzeitig meine letzte segelwoche ist in diesem jahr, entwickelt sich ein bisher auf dieser reise kaum gespürtes fernweh wieder, sehnsucht und lust auf eine weite reise.

17. Aug. 2011

karlshamn
heute morgen um halb sieben aufgewacht, weil das boot im heftigen schwell unglaublich an den leinen riss und in die fender krachte. der hafen ist nach süden offenbar doch zu offen und schon der mäßige wind macht alles extrem ungemütlich. im yachthafen direkt sieht es auch nicht besser aus, dort liegen die wenigen boote, die da sind, sogar noch quer zur welle in den boxen.
heute morgen deshalb den entschluss gefasst, noch woanders hin zu segeln, am besten in eine kleine bucht. hab mir auch schon eine rausgesucht, um die ecke von solvesborg, die bei südwestlichen winden gut geschützt zu sein scheint. danach dann aber doch noch kurz in die stadt gegangen, um ein paar erledigungen zu machen. karlshamn ist auf den ersten blick so rough wie karlskrona, vor allem der hafen ist noch ein stück rougher, wegen der industrie mit lärm und gestank. innen in der stadt siehts aber nett aus. in der konditorei spricht man kein englisch, was mir ausnahmsweise mal sympathisch ist, und in einer seitenstraße verkauft ein laden "gute pralinen", wie um von vornherein dem verdacht zu begegnen, die pralinen könnten schlecht sein.
im zentrum der stadt dann der platz mit dem rathaus gegenüber der kirche. städtebaulich beherrscht das rathaus den platz, erste konkurrenz ist das einkaufszentrum, ein grauer plattenbau, der von außen eher einem parkhaus ähnelt, was durch den kontrast mit dem historischen rathausgebäude noch verstärkt wird. die kirche hat sich dagegen außer konkurrenz in einen großen park zurückgezogen, der von einer mannshohen mauer umgeben ist, mit toren in jeder der vier himmelsrichtungen. der park selbst ist ein alter friedhof, der aber seit der jahrhundertwende 1900 nicht mehr genutzt wird, die toten dort sind alle zwischen hundertfünfzig und fünfhundert jahren alt. die kirche ist offen und ich trete ein, bin überrascht von der prachtvollen ausstattung. allein vier großformatige gemälde aus dem 17. bis frühen 19. jahrhundert, zwei kreuzigungsszenen, eine auferstehung und eine salbungsszene, das ist das altarbild. im taufbecken, das laut handfaltblatt, das in der kirche ausliegt, von 1519 stammt, ist ein deutschkaiserlicher adler eingraviert mit den worten "gott. sei. mit. uns.", die viermal wiederholt werden. gerne hätte ich das gesehen, aber das becken ist unter einer goldenen glocke versteckt, nur der kupferrand ragt hervor. auch auf diese weise zeigt sich dann europäische geschichte.
ich muss beim verlassen der kirche an meinen kirchenbesuch auf teneriffa denken. dort ging ich vor der überfahrt zur nächsten insel in die kirche, in der kolumbus vor seiner ersten reise nach indien betete.
hier ist es inzwischen fast zu spät geworden, um noch aufzubrechen. allerdings ist die bucht auch nur acht meilen von hier, das schaffe ich sogar mit gegenwind noch vor sonnenuntergang. wenn das boot noch immer so stark arbeitet, muss ich hier jedenfalls weg. ich bin also allein, aber die reise geht doch irgendwie weiter.

15. Aug. 2011

fünfte alleinfahrt
heute morgen l. und p. zum zug gebracht. danach geschrieben, das vorige posting. gegen elf (?) dann abgelegt, zur tankstelle gefahren, erstes anlegemanöver alleine, längsseits, das geht, aber kleine erschwernis: rückwärts angelegt, weil für vorwärts kein platz war und die fender schon an steuerbord hingen. 54 liter getankt, nur! meinen berechnungen zufolge hätte der tank ca. 100 liter fassen müssen. irgendwas ist da schief gelaufen. verbraucht der motor wirklich weniger als drei liter? ich kanns mir fast nicht vorstellen. nach dem diesel noch wasser getankt, was gut war - da, wo wir jetzt liegen, gibts kein wasser. nach dem tanken ein kurzes stück unter motor gegen den wind, bis zum hauptfahrwasser. zu diesem zeitpunkt schon eine gewisse erschöpfung. wenig schlaf, dann alle nacheinander zum zug gebracht, jedesmal abschiedsschmerz, das hadern mit dem alleinsegeln oder im hafen bleiben. das alles gemischt mit dem thrill, den das alleinsegeln immer bringt, weil eben alles allein gemacht werden muss. die manöver sind dadurch komplexer oder jedenfalls zeitkritischer, vor allem wegen des fehlenden autopiloten. beim aufschießer steht keiner am ruder, um zu korrigieren, wenn irgendwas klemmt. und überhaupt ist das - das fällt mir beim rausfahren ein - mein erster alleintörn auf der offenen ostsee.
im hauptfahrwasser setze ich erst das groß im ersten reff, dann die große fock. alles funktioniert, das hab ich bei den ersten alleinfahrten auch so gemacht. mit halbem wind segelt das boot mit rauschefahrt aus der bucht von karlskrona. der himmel ist komplett von wolken bedeckt, die luft ist so diesig, dass die kleinen tröpfchen auf allen oberflächen kondensieren. nachdem wir eine entgegenkommende yacht passiert haben, ziehe ich die segelhose an. außerdem die rettungsweste. gestern noch haben wir ausprobiert, ob man allein wieder an bord kommt. tut man nicht. selbst bei stillliegendem boot ist es unmöglich, vom wasser aus die bordkante zu erreichen. nichtmal am heck, an der niedrigsten stelle. das boot hat einfach ein unglaublich hohes freibord. also hänge ich eine leine hinten übers heck, von achterklampe zu achterklampe. dann kann ich mich, sollte ich jemals über bord gehen, wenigstens hochziehen. wobei mir klar ist, dass diese leine eigentlich ein strohhalm ist, ein strohhalm für einen taucher in vierzig metern tiefe. die chance, dass der strohhalm oder die leine was bringen, sind im falle eines falles extrem gering.
nach der durchfahrt zwischen den beiden leuchttürmen zieht sich die diesige luft zu nebel zusammen, kaum sehe ich die fahrwassertonnen. hätte der selbstgebaute plotter sich nicht längst bewährt, heute wäre dieser tag. bald verschwindet die küste im dunst, wir hangeln uns von kardinalzeichen zu kardinalzeichen, bevor dann ein langer schlag zum nächsten kap führt. zwischendurch lichten sich die dunstwolken immer wieder, dann taucht schemenhaft die küste auf, verschwindet dann wieder in den bodenwolken. der wind flaut nach der durchfahrt auch ab, nach einer halben stunde warten ziehe ich das großsegel ganz hoch. weil das noch nicht reicht und die zeit schon so weit fortgeschritten ist, dass wir wenigstens fünf knoten machen sollten, um nicht im dunkeln anzukommen, beschließe ich, die ganz große genua (a.k.a. schwedenfock) zu setzen. die segelarbeit mit dem blister ist mir alleine doch zu riskant. also schlage ich die arbeitsfock ab und die große genua an, zieh sie hoch - und sehe, dass sie im oberen bereich vierzig zentimeter vor dem achterliek einen langen riss hat! damn. hat die sich an der saling geschnitten? was soll das? das tuch ist sehr dünn und das segel hat schon mehrere flicken. jetzt kommt bald noch einer dazu.
also berge ich das große segel wieder und setze die 50er genua. vor dem wind mit wenig welle segelt das boot im schmetterling immerhin etwa fünf knoten. dieser kurs geht auch nur mit dem großen segel, weil die focks zu kurz geschnitten sind, um den wind, der aus dem großsegel nach vorne strömt, aufzufangen. die 50er aber steht prima und das boot verträgt kursschwankungen bis zwanzig grad, ohne dass das segel einfällt oder das groß rumkommt.
zwischendurch ziehen andere segler vorbei, ein zweimaster auf gegenkurs am wind mit vollzeug, ein holländer, der meinen gruß trotz großer entfernung sofort erwidert. später noch ein großsegler, ebenfalls am wind und sämtliche segel gesetzt. wir sind also immerhin nicht allein unterwegs hier. wobei ich dann doch froh bin, dass die begegnungen bei etwas besserer sicht stattfinden.
das kap südöstlich von karlshamn runden wir gegen halb acht. ohne die segelstellung zu ändern drehen wir quasi mit dem wind ums kap. hinterm kap dann frischt der wind auf, das boot kommt in rauschefahrt und mir wird dabei ein bisschen mulmig, weil auf diesem schnellen schmetterlingskurs gar nicht daran zu denken ist, das ruder zu verlassen, um einen blick auf die karte zu werfen. ich lasse das boot noch eine weile laufen, berge dann aber das große vorsegel und ziehe wieder die arbeitsfock hoch. die segelwechsel sind alleine deutlich anstrengender als zu zweit oder zu dritt. aber jedenfalls bestätigt sich, dass aimé nur unter groß mit festgelegtem ruder stabil am wind ist, sodass ich auf dem vorschiff in ruhe arbeiten kann.
der yachthafen direkt in karlshamn liegt quasi am ende des industriehafens. hier ist ein kleines sanitärgebäude und einige liegeplätze (boxen mit schwimmstegen). weiter vorne aber gibt es noch einen schwimmsteg und ich entscheide mich, dort längsseits anzulegen, bevor ich alleine in eine box mit schwimmstegen fahre. am schwimmsteg liegt eine große motoryacht, am kai daneben ein großer zweimaster aus deutschland. als ich schon auf den liegeplatz anfahre, kommt aus dem zweimaster ein typ und meint, dass das ein privatsteg sei. okay. also wieder weg. irgendwie frage ich ihn dann, ob er strom hat, hat er aber nicht, gibts nur in der marina, und irgendwie kommt dann raus, dass er da, wo er liegt, nämlich direkt an der kaimauer, keine hafengebühren zahlt. prima - legen wir uns direkt dahinter. und da liegen wir jetzt, aimé und ich und die ganzen geister von denen, die seit heute morgen abwesend sind, und von denen, die bald kommen, und überhaupt die ganzen tausend gespenster, die gerade mein leben ausmachen, aus dem ich hier dann doch nicht so ganz abwesend bin, wie ichs gerne gehabt hätte. jetzt rentiert sich jedenfalls endlich die investition in die led-lichter unter deck. die batterie ist ausreichend voll, dass wir hier noch drei tage liegen können.
gegenüber erleuchten gelbe scheinwerfer und lampen den kai und die große fabrik, die dahinter liegt. wirklich ein echter industriehafen. das hat schon was, allerding sahen die zum teil bewaldeten, zum teil recht felsigen schären mit ihren buchten auf dem weg hier rein auch nicht schlecht aus. mehr natur eben. ruhe. weitblick. na ja. jetzt bin ich eben ein bisschen her noch in dieser karlsstadt. nach karls krone jetzt karls hafen.

14. Aug. 2011

anlegen unter segeln und ich bin wieder allein, allein
heute morgen p. und l. zum bahnhof gebracht, karlskrona, mal wieder, war für verschiedene an- und abreisen vorgesehen, die dann alle woanders starteten oder ankamen, nur die beiden ungeplanten jetzt heute eben von hier aus. und ich bin damit allein auf dem boot.
will heute auch gleich weg hier, nicht alleine einfach bleiben, sondern mich weiter auf den rückweg machen, außerdem stinkt mir der hafen hier, große straße in der nähe, riesiger parkplatz mit wohnmobilen, mit denen die bootsfahrer sich hier dann die duschen und toiletten teilen. karlskrona selbst nach zwei, drei spaziergängen auch eher uninteressant, müsste man sich evtl. nochmal genauer anschauen, klar, aber der hafen eben: nicht so schön. dazu liegen wir an einem schwimmsteg ohne strom, und ich hab einfach keine lust, jetzt drei tage still zu liegen bis a. und n. ankommen. also auf nach karlshamn heute. was aufregend ist, gleichzeitig auch mühsam: grauer himmel, regnerisch, nur der wind weht aus der richtigen richtung und hoffentlich draußen nicht zu wild. gleich noch tanken und dann: segeln. fünfte alleinfahrt. routiniert ist das trotzdem nicht. hier fehlen zwei, schon jetzt. könnte mich vom gefühl her auch zwei tage in der koje verkriechen und gar nichts machen. allerdings ist hier hinten dran direkt am kai große baustelle und morgen fangen die sicher wieder an. eben auch deshalb weg hier.

anlegen unter segeln vorgestern abend unter segeln an einem kleinen steg angelegt, hat prima geklappt. eine wunderschöne bucht, prima geschützt bei dem starken nordostwind, den wir vorgestern hatten, hinter einer schäreninsel. dort soll wohl ein kleiner hafen entstehen, außer dem steg und einer kleinen ankündigung mit plänen und bildern, wie es mal aussehen könnte, ist dort aber nichts zu sehen. in der felseninsel offensichtlich ein riesiger bunker, der felsen ist sicher vierzig meter hoch und jeweils mehrere hundert meter breit. oben sind zubetonierte stellen zu sehen, sicher einmal öffnungen für die luftzufuhr und für den ausguck, unten befindet sich ein eingang, der mit einer schweren stahltür gesichert ist. die arbeiter lagern im eingangsbereich einiges gerät, die tür ist aber verschlossen. die insel selbst heißt säljö, in der bucht kann man außerdem bei allen winden von südwest bis südost, das heißt außer bei noch südlicheren winden, gut ankern oder sich an den felsen festmachen, die an einigen stellen schon mit ringen ausgestattet sind. dort liegt man sehr idyllisch, dabei keine zwei meilen vom hafen karlskrona entfernt, den man im schlimmsten fall auch nachts noch bei jeder wetter anlaufen könnte.
gestern dann auch unter segeln abgelegt, was bei ablandigem wind kein kunststück war, und dann vom ehrgeiz gepackt unter segeln in den hafen von karlskrona eingelaufen (bzw. nur mit der kleinen fock). die situation etwas schwieriger, weil kein langes stegstück frei war und genau gestoppt werden musste, dazu stand der wind noch leicht ablandig vom schwimmsteg, aber direkt auf den kai, von dem der schwimmsteg weg läuft, sodass wir quasi aus einem u-turn an den steg mussten. der u-turn klappte beim ersten mal gut, die fock fiel, aber das boot hatte zuwenig fahrt und blieb vor dem steg stehen. in dem moment hätte ein kurzer schub mit dem motor genügt und wir wären fest gewesen. und hier fiel dann die falsche entscheidung, es nochmal zu probieren. also segel wieder hoch, etwas fahrt aufgenommen, im engen hafenbecken noch gebangt, ob das boot rechtzeitig dreht, dann gewendet und diesmal mit mehr fahrt und näher an den steg gesteuert. und genau da war ich schon unaufmerksam genug, um den wendekreis der yacht falsch einzuschätzen, setzte den ansteuerungspunkt zu nah an den schwimmsteg, an dem noch ein kleines motorboot lag, vor das wir uns eigentlich legen wollten. also am wendepunkt für den u-turn hart ruder gelegt, und das boot dreht, dreht weiter, und dreht aber nicht schnell genug, sodass wir das motorbootdinghy rammen werden, p., der vorne am bug steht, brüllt, im gleichen moment mach ich den motor an, vollgas zurück, dass eine weiße rauchwolke aus dem auspuff steigt und die gaffer am kai komplett einnebelt, die fock fällt, das boot dreht noch ein stück, fast touchieren wir das dinghy, bleiben dann stehen, das boot dreht langsam zurück, kommt frei und ich nehm das gas weg, wir kreisen nochmal unter motor - ehrenrunde, klar - und legen dann an. gerade nochmal gut gegangen.

ab jetzt also allein. keine experimente beim an- und ablegen. spannend wird karlshamn, das kenne ich nicht. laut hafenhandbuch legt man an schwimmstegen an. ich hoffe, es geht auch irgendwo längsseits. längsseits allein geht eigentlich prima, immer über die vorspring. in eine box einfahren ist dagegen problematisch, weil ich alleine die leinen gar nicht so schnell ziehen kann, zumal man oft auf den steg muss, um das zu machen. aber irgendwie wirds gehen. also los. sonst werde ich gleich sentimental und komme gar nicht weg.

14. Aug. 2011

grundberührung! und 7.2
gestern abend dann, nachdem der wind so gedreht hatte, dass er das boot vom steg hätte weg drücken müssen, gestern abend dann doch gemerkt, dass das boot mehr schlagseite hat als sonst mit gefülltem wassertank. weil das boot auch, trotz ablandigem wind, an den fendern und am steg klebte, statt in den leinen zu hängen. also ein bisschen gewackelt, und tatsächlich bewegte sich alles nur schwerfällig. am abend hatte das echolot 2,3 meter angezeigt, aber der geber sitzt auf der steuerbordseite und wir lagen mit der backbordseite am steg. die bucht öffnet sich nach süden, und wir hatten beim anlegen am abend zuvor die ganze zeit einen starken südostwind gehabt, der sicher das wasser reingedrückt hatte. in der nacht hatte der wind auf südwest gedreht und sich stark abgeschwächt, der wasserspiegel im hafen war gefallen, das boot saß auf! ätzend, aber gottseidank alles halb so wild. wir zogen es von der untiefen stelle runter und legten es zehn meter weiter, wo es deutlich tiefer wurde, wieder fest. es macht eben sinn, an einem steg, an dem man eigentlich mit mooringbojen anlegen soll, auch so anzulegen und nicht längsseits zu gehen. das hatten wir einfach dem nachbarn nachgemacht, der schon längsseits dort lag, als wir ankamen. gut, dass die kielsohle aus ziemlich dickem stahl ist. konservieren muss ichs trotzdem, aber das kenne ich ja schon.

heute mittag dann bei schönstem sonnenscheint und bestem wind abgelegt in richtung ronneby. mit 4-5 bft und wind aus süd bis südsüdost segeln wir unter vollzeug richtung hanö. die insel haben wir kurze zeit später querab, und weil es so gut läuft und für morgen regen angekündigt ist, beschließen wir, gleich bis karlskrona zu segeln. karlskrona! der hafen, der ursprünglich ziel- und ausgangspunkt für diverse personen sein sollte, die schon mitgesegelt sind oder gerade mitsegeln, m., t. und p. heute sind wir dort angekommen, nach einer rauschenden fahrt mit einem schnitt von 7.2 knoten. ich war froh, aus solvesborg wegzukommen. das dorf wurde nach einem tag dann doch irgendwie merkwürdig. dabei ist der hafen toll, außer uns gab es nur in der ersten nach noch zwei andere gäste, toiletten und duschen sind im lokalen segelclub, für die clubräume bekommt man vom hafenmeister eine magnetkarte. wir konnten dort waschen und hängten unsere wäsche kreuz und quer durchs "clublokal", wie sie die räume nennen.
der hafen von karlskrona dagegen ist ein professioneller gasthafen. fürs duschen muss extra gezahlt werden, im hafenbüro gibt es zubehör und törnführer und chips zu kaufen, lauter solche dinge. gleichzeitig gibt es deshalb aber auch den kostenlosen schwedischen hafenführer, der für uns wegen unserer mangelhaften ausstattung mit nautischer literatur unentbehrlich ist. papierseekarten haben wir für diese küsten nicht und in den elektronischen sind nur die größeren marinas verzeichnet, die an handels- und containerhäfen oder an größeren städten dran liegen. die kleinen fischerhäfen und kleinere yachthäfen fehlen. erstaunlicherweise sind die auch nicht in den sportbootseekarten von delius-klasing (satz 11) drin. mal sehen, wie wir an diese infos noch kommen können, ohne uns teure handbücher zu kaufen.

inzwischen sind wir richtig unterwegs. und segeln immer noch weiter von zuhause weg. nachdem klar ist, dass wir stockholm nicht mehr erreichen werden, ist mein traumziel die insel gotland. wobei auch das schwierig werden könnte. es ist aber auch egal, wo wie hinkommen, nach zehn tagen an bord ist es einfach schön, unterwegs zu sein, zu segeln, seltsame küsten zu sehen.

06. Aug. 2011

kaseberga - simrishamn - solvesborg
vor zwei tagen, in kaseberga, habe ich mir vorgenommen, jeden tag wenigstens die wichtigsten infos über den aktuellen hafen oder ankerplatz aufzuschreiben, und jetzt sind es schon wieder drei tage seit gislovs läge. von dort aus ging es bei zunächst sehr wenig wind aus süd bis südwest (großsegel und 60 qm genua aka schwedenfock, weil sie exakt aus den beiden farbtönen der schwedenflagge geschnitten ist) richtung ystad. später kam ein leichter seewind auf und wir hielten uns nah an land, um die thermik zu nutzen, segelten mit etwa vier knoten an der küste entlang. die sonne brannte, ein wolkenloser himmel, im wasser algenschwärme und dann und wann eine segelyacht, die uns unter motor entgegenkam. weil wir früh um acht losgesegelt waren, hatten wir ystad schon am frühen nachmittag querab und beschlossen, noch weiter bis kaseberga zu gehen, ein sehr kleiner hafen hinter der huk westlich von ystad. die ansteuerung ist einfach und das hafenbecken an den beiden seiten, die für yachten und gäste vorgesehen sind, wenigstens 2,5 meter tief. man liegt längsseits und im päckchen. der ort - wenn man einen großen ausflugsparkplatz, ein museum für die seenotrettung, diverse kiosks, fressbuden und ein restaurant schon 'ort' nennen möchte - ist ziemlich klein, sehenswert ist vor allem ein vorchristliches steinmonument oben auf der steilküste. ca. vierzig große, rohe steine sind dort in einer art schiffsform angeordnet, gemessen wurde damit der jahreskalender mit den tag- und nachtgleichen, der sommer- und der wintersonnwende. dieses monument ist auch das ausflugsziel, das den parkplatz und die fressbuden und überhaupt diese ganze touristische infrastruktur am hafenbecken rechtfertigt.

simrishamn

der nächste tag bringt frischen wind aus südost und wir segeln erst mit der arbeitsfock einen schlag nach süden, um von der küste frei zu kommen. um die huk von sandhammaren dreht dann der wind stetig so auf ost, dass wir bei der drehung auf amwindkurs bleiben. hinter sandhammaren dann wird der wind immer weniger, sodass wir erneut die schwedenfock setzen können. bei wenig wind macht es sich dann doch bemerkbar, dass das boot so übertakelt ist - eine weile lang segeln wir parallel zu einer ähnlich großen segelyacht, die unter motor durch die schwachwindzone fährt.
ziel des tages ist simrishamn, wo am abend p. an bord kommen soll. wir sind schon am frühen nachmittag vor simrishamn und fahren noch manöver. irgendwann war plötzlich thema, was die crew macht, wenn ich über bord gehen sollte. erstmal erscheint mir das als unberechtigte angst - ich habe mehr als zehntausend seemeilen hinter mir, einige davon bei stürmischem wetter auf nordsee und atlantik, inklusive segelarbeit auf verschiedenen vorschiffen, und noch nie gab es eine situation, bei der ich gefahr gelaufen wäre, über bord zu gehen, nicht mal der kleinste ausrutscher, der dann vom lifebelt gehalten würde.
trotzdem ist es super, wenn alle an bord das boot auch in alle richtungen fahren können und im schlimmsten fall auch ein mann-über-bord-manöver gelingt. und weil boje-über-bord auch ein gutes manöver ist, um verschiedene dinge zu üben (kurs zum wind bei häufigen kursänderungen, abstand einschätzen, aufschießer, zusammenarbeit der crew bei manövern und beim einweisen an der boje usw.), fahren wir ein paar boje-über-bord manöver. während der manöver frischt der wind noch auf, sodass die übung passend dramatisiert wird.
nach der sandigen südküste schwedens sind wir vor simrishamn schon an einer felsiger werdenden küste entlang gesegelt. bei der einfahrt nach simrishamn sehen wir die südlich gelegene felsküste dann etwas deutlicher. der hafen selbst hat nach der einfahrt ein becken für die schnellfähre, das auch für segelmanöver groß genug ist. bei ostwind ist das einpacken der segel vor dem hafen mühsam und dauert, weil die welle doch großen anlauf hat und sich direkt an der küste dann aufsteilt. gleichzeitig ist es mir noch etwas unheimlich, unter segeln in einen hafen einzulaufen, den ich gar nicht kenne. aber nächstes mal segeln wir rein. in der marina dann schwimmstege, das hatten wir auf dieser reise noch nicht. wir suchen erst eine weile, finden dann aber am dritten steg drei freie plätze. die marina wurde vor kurzem erst erneuert, die stege blinken und glänzen noch, das holz leuchtet noch wie frisch geölt. am automaten ziehen wir eine tally-card (ein abrechnungssystem für marinas, mit dem von wasser bis strom und klozeit alles abgerechnet werden kann), aber das system ist noch nicht installiert. deshalb gibt es auch keinen strom, was aber aushaltbar ist.
neben uns legt sich gleich eine andere segelyacht, die kurz nach uns eingelaufen ist. die leute sind nett, und ich überwinde mich am nächsten morgen, sie zu fragen, ob sie elektronische seekarten von der schwedischen ostküste haben, die wir uns überspielen können. und sie haben! leider sind es nur die von delius-klasing, die in einem proprietären format verschlüsselt sind, das mein supernavigationsprogramm nicht verarbeiten kann. eigentlich sind die karten, die wir haben, super, und mit mai 2010 auch noch ziemlich aktuell, aber leider fehlen die detailpläne für einige kleinere häfen, die wir anlaufen könnten. nur größere marinas und anlegemöglichkeiten in größeren häfen sind verzeichnet. und unsere papierseekarten enden mit simrishamn. also installiere ich das proprietäre navigationsprogramm und die karten auf der virtuellen windows-maschine, aber die detailkarten werden im programm dann doch nicht angezeigt. ob man die freischalten muss? am ende ist es egal und wir segeln mit den karten, die wir haben. verglichen mit den etwas älteren delius-klasing-karten sind sie wirklich genau und außerdem aktueller.
die stadt simrishamn besteht eigentlich vor allem aus dem hafen, einer einkaufsstraße und dem rathausplatz, an dem auch eine sehr alte kirche gelegen ist, die aber leider nicht mehr geöffnet ist, als wir vorbei kommen. der bau sieht fast mittelalterlich aus, jedenfalls älter als die norddeutsche backsteingotik, und es wäre interessant, das mal zu sehen. die kneipen in der businessmeile sind leider fast ausnahmslos touristenfallen, nur eine bäckerei sticht etwas heraus. l. holt dort am nächsten morgen brot und süße stückchen. nachdem wir eine stunde zu früh am bahnhof sind, um p. abzuholen, verlegen wir uns in die kneipe am ende des hafens und trinken unser erstes schwedisches bier in der abendsonne mit blick aufs meer und den endlosen himmel. das erste mal habe ich das gefühl, unterwegs zu sein. während der bezahltörns, die ich als skipper auf er ostsee gemacht habe, war simrishamn immer der sehnsuchtsort, zu dem ich nie segeln konnte, weil man von rügen aus in einer woche sks-ausbildungstörn nicht so weit kam, ohne zeitprobleme zu kriegen. und genau dort sitzen wir nun, unser boot liegt gut vertäut im hafen und ist bereit, am nächsten tag wieder mit uns auszulaufen, um unbekannte gebiete zu besegeln. ab hier ist jeder punkt, den wir erreichen, der nordöstlichste, an den ich je unter segeln gekommen bin.

solvesborg

am nächsten morgen geht es los, ab jetzt sind wir zu viert an bord. das erleichtert die segelmanöver deutlich. vor allem die vorsegelwechsel gehen dann besser und schneller. wir segeln erst nachmittags los, wollen trotzdem noch die knapp vierzig meilen nach karlshamn segeln, aber der wind weht tatsächlich mit vier bis sechs beaufort direkt aus ost, nicht aus südost, wie angekündigt. also laufen wir am wind, und damit fehlen uns die eineinhalb knoten, die das boot mehr läuft, wenn der wind etwas achterlicher einfällt. weiter draußen frischt der wind dann auf, sodass wir erst zwei reffs ins großsegel binden und dann noch auf die kleine fock wechseln. das boot läuft am wind fünfeinhalb knoten, aber gegen wind und welle ist nicht mehr zu machen. eine nachtansteuerung wollen wir uns ersparen, also beschließen wir, nach solvesborg zu gehen, was zehn seemeilen näher ist und vom kurs her günstiger liegt - wir können abfallen, setzen wieder das volle groß und die arbeitsfock und segeln dann mit halbem bis raumem wind konstant sechseinhalb bis sieben knoten. die wellen schieben das boot in eine rauschende fahrt. auch mit der see von schräg achtern segelt aimé stabil sodass behutsame ruderausschläge ausreichen, um das boot auf kurs zu halten. traumhaft.
vor der einfahrt in die langgezogene bucht von solvesborg reffen wir das groß wieder ein, und tatsächlich ergeben der kapeffekt und die landabdeckung einige böen, die das boot stark krängen. neben dem fahrwasser tauchen immer wieder felsen auf, mitten auf dem wasser, wir nähern uns den schären. gottseidank ist die einfahrt zum handeslhafen von solvesborg sehr gut betonnt, das fahrwasser ist sehr breit, sodass die ansteuerung problemlos ist. im letzten großen becken bergen wir die segel und legen uns dann längsseits an einen frisch gebauten holzsteg - angekommen.
der hafen ist klein, außer uns gibt es nur noch zwei andere gastyachten, eine davon aus greifswald, was irgendwie lustig ist. beide anderen sind heute morgen ausgelaufen, wir werden den tag über hier bleiben.
die bucht von solvesborg ist vergleichsweise schmal und tief und nach fast allen seiten sehr gut geschützt. nur bei starkem südsüdostwind könnte sich etwas dünung in die bucht verirren. die kleine bucht in der bucht gegenüber vom hafen ist ein guter ankerplatz, ebenfalls bei allen winden außer bei starkem wind aus südsüdost. rein kommt man, wenn man an der fahrwassertonne neun nicht nach backbord abbiegt, sondern geradeaus weiter fährt, am vorderen zeichen der deckpeilung vorbei in die bucht. laut karte liegt man dort dann auf zweieinhalb bis vier metern auf matsch, schlamm (mud) oder, näher an land, auf zweieinhalb metern auf sand. die ansteuerung des hafens geht bestimmt auch nachts gut, es gibt zwei richtfeuer und befeuerte tonnen, nur die letzten paar kleinen grünen tonnen bei der marina sind nicht befeuert, aber man kann sich dann schon sehr dicht an der mole halten, wo wir jetzt auf 2,3 metern tiefe liegen.
der yachthafen wird vom solvesborger segelclub betrieben, bezahlt haben wir 130,- skr, was bisher der günstigste preis ist. auch hier hat man ein tally-card-system installiert, das aber, wie in simrishamn, ebenfalls noch nicht in betrieb ist. toiletten, duschen und waschmaschinen gibt es im clubhaus, das sehr nett und familiär eingerichtet ist. es erinnert mich an den whw, unseren alten segelclub in heidelberg. dort wäre man auch auf diese weise zu gast gewesen, abgesehen vielleicht vom tally-card-system.
der wind hat inzwischen auf süd gedreht und soll bis morgen auf west durchdrehen. der himmel ist heute komplett bedeckt und es regnet immer mal wieder. wir haben die baumarktplane überm cockpit aufgespannt, damit es nicht immer reinregnet, wenn man die luke öffnet, um einzusteigen. das funktioniert ganz gut, die plane passt, als wäre sie dafür abgemessen worden. leider ist das plastik schlechte qualität und die plane wird wohl nicht so lange halten. aber denkbar wäre, selbst eine aus festerem persenningstoff zu machen, das ersetzt dann, zumindest im hafen, die kuchenbude. morgen wollen wir weiter, bei westwind wahrscheinlich nach karlshamn und dann nach karlskrona. wir werden sehen und segeln mit dem wind.

05. Aug. 2011

gislovs läge
gestern dann die überfahrt nach schweden. aufgestanden um vier, gestartet um fünf. der schwache nordwind treibt nebel über den hafen. wir starten trotzdem, mit ausguck und nebelhorn. motoren bis kap arkona, wo sich der nebel langsam lichtet. gleichzeitig schläft hinterm kap der wind ganz ein. der himmel bleibt bedeckt, es regnet. als wir uns der schiffahrtsroute zwischen rügen und schweden nähern, erscheint am horizont auf einmal eine ganze armada von frachtern und tankern. einer von ihnen dreht, nachdem er unseren kurs vor uns gekreuzt hat, um 180 Grad und fährt auf Gegenkurs wieder zurück, kommt diesmal also von steuerbord und hat damit wegerecht. unangenehm ist die situation, weil das manöver so merkwürdig ist und uns nicht klar ist, wie weit der frachter noch dreht. komplett verrückt wird es dann zehn minuten später: der frachter dreht ein zweites mal und geht wieder auf seinen alten kurs, kreuzt aber diesmal hinter unserm heck.
eine viertelstunde später passieren wir dann die ost-west-route. auch hier ein seltsam erhöhtes verkehrsaufkommen. mehrere frachter und ein riesiger tanker kommen vom horizont her schnell auf uns zu. wir peilen und die frachter wandern aus, nur der tanker nicht - kollisionskurs. weil er schließlich doch leicht nach achtern auswandert geben wir etwas mehr gas und kreuzen seinen kurs mit ausreichend abstand. eindrucksvoll und furchterregend sind diese schiffe aber dann doch.

biblische plage

zwei stunden später, mitten auf see, zwanzig seemeilen von jeder nächsten küste entfernt, ereilte uns eine biblische plage. es begann harmlos, ein wenig erstaunlich. einige mimikry-fliegen setzten sich aufs boot, schwebfliegen, wie bienen gemustert, aber harmlos. erst fünf, dann zehn, dann fünfzehn. die biester flogen auf gelb, der rettungsring am heckkorb war bald übersät von unzähligen fliegen. wir dachten erst, die kommen aus den segeln, hätten sich während der drei hafentage vor dem dauerregen verkrochen, aber irgendwann wurden es immer mehr, und größere kamen dazu. wir fingen an, einzelne über bord zu werfen. die viecher waren so geschwächt, dass sie tot umfielen, wenn man sie mit dem finger anschnipste. die fliegen mussten von draußen kommen, auf dem wasser, durch das sich das boot langsam schob, schwammen immer wieder tote fliegen vorbei. als dann die cockpitbänke und der boden, der rettungsring und das großsegel fast bedeckt waren und immer mehr fliegen dazu kamen, die sich jetzt auch auf unsere jacken setzten und ins gesicht flogen, begann das schlachtfest. abwechselnd erschlugen wir die fliegen mit der klatsche und spülten dann ihre leichen mit wasser von bord. aber es wurde noch schlimmer. je näher wir der küste kamen, desto kleiner wurden die fliegen, und desto größer die schwärme. irgendwann waren es so viele so kleine fliegen, dass mit der fliegenklatsche nichts mehr auszurichten war. sie stürzten sich auf uns, sodass ich unter deck schutz suchte und die andern beiden ihrem heldenhaften aushalten an deck überließ. das vorschiff und die segel waren übersät mit winzig kleinen insekten, von unten konnte ich sehen, wie sich m. und l. mund und nase zuhielten und immer wieder mit händen und armen wedelten, um sich vor den fliegen zu schützen.
später kam wind auf, wir setzten die segel und von einem moment auf den nächsten war alles vorbei. was auch immer der grund für diesen merkwürdigen exodus der mimikry-fliegen aufs offene meer war - es war ziemlich gespenstisch.

angesichts des massiven fährverkehrs im hafen von trelleborg entschieden wir uns dann doch dagegen, dort anzulegen (die dinger machen krach und stinken) und segelten zum vier seemeilen östlich gelegenen yachthaven gislovs läge. der hafen selbst ist schön, man liegt auf wenigstens 2,2 metern tiefe, bezahlt haben wir für drei personen und das boot pauschal 150,- skr, alles inklusive ("alles" heißt: duschen, waschmaschinen, klo, strom, wasser). weil an den gaststegen schon alle plätze belegt sind gehen wir an einem großen katamaran längsseits, der am fischerkai liegt. obwohl die fischer meinen, dass wir an der gegenüberliegenden mole anlegen könnten, dort sei es drei meter tief. aber am fischerkai sind die toiletten näher und die fender werden geschont. fürs nächste mal kann man sich das aber merken. zwei yachten, die später einlaufen, legen sich dann auch in der tat dort hin.
heute morgen dann m. zum bus gebracht, er reist heute ab. gestern noch t. vom bus abgeholt, sodass wir weiterhin zu dritt sind. seit dem frühen morgen ist der hafen in nebel gehüllt, der leichte südostwind treibt ihn vom meer aus übers land. wir haben entschieden, heute einen ruhetag zu machen. ich bin krank, und es wird zeit, das einmal ein bisschen auszukurieren. segeln ist, jedenfalls derzeit für mich, mit dem eigenen boot und den noch fehlenden routinen und der langen liste von dingen, die 'eigentlich' noch zu erledigen wären, anstrengend. bis vorgestern war auch die geschichte mit dem zerreißen von geldscheinen unter der kalten dusche kein witz. für die nächsten tage ist aber eine ostwetterlage angesagt, das bedeutet stabiles wetter, sonne, guter wind.

technik: inzwischen stellen sich schon einige sachen raus, die nochmal geändert werden müssen. an erster stelle der spirituskocher. es mag am kocher liegen oder am brennstoff, aber die flamme rußt die töpfe schwarz und stinkt beim kochen ätzend. ich will auch nicht wissen, wie viel feinstaub wir eigentlich die ganze zeit einatmen, wenn gekocht wird. dieser kocher kommt also definitiv raus und wird durch den petroleumkocher ersetzt, der noch zuhause steht. das nächste sind die winschen. weil ich die neuen auf einen podest setzen wollte, hab ich die alten noch nicht ersetzt. obwohl sie frisch gesäubert und gefettet sind, klemmt an backbord schon wieder die sperrklinke für den kleinen kurbelgang, sodass man die winsch unter last nicht mehr richtig bedienen kann. blöd. umstellen muss ich auch die verteilung von rollen und festpunkten des reffsystems. im moment sitzen die rollen an den vorderen punkten, festgemacht sind die reffleinen dann hinen am baum. es muss aber genau anders herum sein, weil die reffleinen, wenn sie beim ein- und ausreffen durch die rollen laufen, unglaublich reibung haben, sodass man das segel nicht gesetzt kriegt, ohne die reffleinen von hand hinten aus dem baum zu ziehen. und genau das soll das system ja vermeiden.
als wirklich super haben sich die fallenstopper herausgestellt, die ich vor der abfahrt noch montiert hatte. damit lassen sich die fallen sogar ohne mastwinsch auf die richtige spannung bringen, einfach weil die fünf zentimeter, die man beim belegen der klampe unter last immer verliert, jetzt fest bleiben. für die richtige fallspannung und vorliekspannung brauchen wir also gar keine winsch. sehr gut funktioniert auch der selbstgebaute plotter. hinterm schott, an dem der kartentisch sitzt, ist mein laptop in einer passenden halterung, am kartentisch hängt ein acht-zoll-monitor, bedient wird der plotter mit einer wasserdichten maus. damit ist die hardware vor jedem wasser geschützt, selbst wenn bei regen- und starkwindnavigation die maus nass wird. gekostet hat das system keine zweihundert euro inklusive der hochempflindlichen usb-gps-maus mit aktiver antenne, die im schiffsinneren besseren empfang hat als die passive antenne draußen. ende des technischen.

vorhin am busbahnhof in trelleborg, wohin ich m. noch begleitet hatte, dann beim versuch, im kiosk, der auch fahrkarten verkauft, eine fahrkarte zu kaufen, begegnung mit krudem nationalismus: do you accept credit cards? fragen wir. und der besitzer: no, i only take swedish cards and swedish money. dass ein kioskbesitzer nur nationalgeld nimmt, ist mir noch klar, auch wenn das ausgerechnet an einem internationalen fährhafen etwas merkwürdig ist, aber dass kreditkarten sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie international funktionieren und eben nur über nationale banken ausgegeben werden, zeigt, dass es hier nicht um praktische gründe geht (ausländisches geld muss gewechselt werden), sondern um ein verhältnis zum ausländischen, das nicht unbedingt von offenheit geprägt ist. dass sich das ausgerechnet an dem system manifestiert, das für die krise der nationalstaaten mit verantwortlich ist, und dass hier ein kioskbesitzer versucht, dieses system in seinem mikromachtbereich zu verneinen und zu bekämpfen, ist irgendwie ironisch, auch wenn mir nicht genau klar ist, warum. die ankunft hier also geprägt von einem mehrfachen: willkommen in schweden.

01. Aug. 2011

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