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vor anker
vor dem loskommen in karlshamn noch eine böse überraschung: als ich den täglichen schub aus der fettpresse für die welle drücken will, sehe ich einen guten liter diesel in der motorbilge. ätzend. das kommt eben vom volltanken. bei genauer prüfung, wo das zeug herkommt, stellt sich raus, dass die befestigungsmuttern des inspektionsdeckels sich gelockert haben. also mach ich sauber und zieh die muttern wieder fest. danach denke ich fast ernsthaft darüber nach, ob ich den diesel gegen einen elektromotor tauschen soll. die neuste technik erreicht bisher ungeahnte effizienzwerte und ein elektromotor mit 20 ps ist um ein vielfaches kleiner als der diesel. und die brennstoffmischung an bord wird um mehrere faktoren - diesel und motoröl -verringert. dazu kommt, dass die in booten verbauten industrieelektromotoren quasi wartungsarm sind (mache ich eigentlich gerade werbung für elektromotoren? das ist keine absicht). aber wie dem auch immer sei, bis der lottogewinn da ist bleibt der diesel wohl drin. und bisher ist der motor selbst extrem zuverlässig. springt sofort an, läuft rund, ist ja auch fast nagelneu - keine 230 stunden gelaufen bis jetzt.
merkwürdig ist nur, dass der tank, als eigentlich wenigstens hundert liter hätten reinpassen sollen, mit 54 litern wieder komplett voll war (der ausgelaufene diesel bestätigt das noch). irgendwas stimmt also an meiner verbrauchsrechnung nicht. die differenz würde bedeuten, dass der motor gerade mal die hälfte verbraucht. das kann aber fast nicht sein. so where is the bug in this algorithm?

als ich in karlshamn vom stadtbummel und einem bibliotheksbesuch zurück kam (das große plus in karlshamn neben der schönen kirche: in der örtlichen bibliothek bekommt man für umme eine gastzugang fürs wlan!), hatte der wind so gedreht, dass die abgase aus der fabrik direkt über den hafen wehten. oder anders: es stank erbärmlich. keine ahnung, was sie da verarbeiten, man sieht direkt am kai mehrere riesige silos und mehrere rauchende schlote auf gebäuden, die mit unglaublich vielen dicken und dünnen leitungen miteinander verbunden sind. ständig fahren irgendwelche tanklastwagen aufs gelände, liefern aber wohl kein öl, sondern irgendwas anderes, oder nehmen was mit, das erschließt sich von weitem nicht so gut.
am vormittag hatte sich die frau vom zweimaster nebenan (der mann hatte mir beim anlegen geholfen und überhaupt gesagt, dass das liegen da kostenlos sei) sehr skeptisch übers alleinfahren geäußert und noch hinzugefügt, sie wolle mir nicht zu nahe treten, bestimmt sei ich ein guter segler, aber die manöver, die manöver, das sei doch allein gar nicht zu machen. mich lehrt die erfahrung etwas anderes: die manöver sind alleine gut zu machen. haklig wird es nur bei unruhiger see und höheren wellen, weil dann das boot von alleine nicht mehr lang genug auf kurs bleibt, um entspannt unter segel das groß ein- und auszureffen. vorsegel bergen und setzen geht eigentlich unter fast allen bedingungen, nur je höher die wellen und je stärker der wind, desto schneller legt sich das boot wieder quer, und desto schneller muss also das segel geborgen sein. aber je mehr wind und wellen, desto kleiner auch das vorsegel, und weil ab fünf windstärken immer schon die kleine fock oben ist, ist der vorsegelwechsel deutlich besser zu machen als die arbeit mit dem groß. was deshalb als nächstes her muss, ist ein zuverlässiger autopilot. weil auch die navigation in etwas komplizierteren gegenden sonst nervig wird - immer nur wenige minuten unter deck, dann wieder oben kurs korrigieren, das strengt an mit der zeit.
mit dem rausfahren aus dem hafen gings mir dann gleich besser. ich hatte richtig lust, noch ein paar stunden zu segeln, irgendwohin, wo es ruhig ist und das boot nicht so derbe in die seile ruckt und in die fender drückt. an der ansteuerungstonne segel gesetzt, hoch an den wind gegangen und ein stück raus auf die ostsee gesegelt. in luv zog sich eine dicke wolke zusammen, regenschleier war zu sehen. die zugbahn von solchen dicken wolken lässt sich an der küste oft nicht voraussagen. die durchfahrt zwischen hanö und dem festland war direkt in luv von uns, und die wolke zog sich von hanö aus bis weit über die landzunge hin. ich segelte erstmal ein stück raus, mit der hoffnung, die wolke umfahren zu können. bald lockerte der himmel sich über der durchfahrt etwas auf, ein teil der wolke blieb über hanö hängen, der andere, deutlich größere, dunklere teil zog langsam in windrichtung auf karlshamn zu, das vier seemeilen achteraus lag. über land vertiefte die wolke sich weiter, deutlich war jetzt auch die irritation im atmosphärischen geschehen zu spüren - der wind drehte langsam, wurde böig. das wolkenbild zeigte an, dass sich in der großen dunklen böenwolke eine art lokales druckzentrum bildete, der wind drehte sich um dieses zentrum langsam ein, die wolke blieb an der landkante hängen und stand fast stationär dunkel drohend knapp in lee von uns. zog sie wieder aufs meer raus? zog sie ab? eine weile war das nicht zu sagen. der abgespaltene teil über hanö nahm dabei eine andere richtung und zog auf uns zu, schwächte sich dann aber über see deutlich ab, regen blieb aus. währenddessen vertiefte sich das geschehen über land nochmal deutlich, klar waren mehrere böenkrägen unterhalb der wolke zu erkennen, durch die thermische dynamik der küste ballte sich das ganze wolkenband weit nach oben. der wind hatte inzwischen so stark gedreht, dass wir über stag gingen und jetzt fast parallel zur schauerwolke segelten, die sich jetzt über karlshamn mit einem schauer entlud. längs der küste hingen überall weitere regenschleier, und langsam wurde die wolke damit leichter, überwand die landkante und zog kurze zeit später leewärts ab. der wind drehte nach und nach wieder zurück auf west, es blieben harmlose weiße wolkenbänder weit entfernt im inland, die langsam aufs meer hinaustrieben und sich dort auflösten.
kurz vor sonnenuntergang fiel der anker in einer kleinen, zum meer hin offenen bucht. später dann erste sterne in der dämmerung, und in der nacht der helle mond, der eine glitzernde straße zur insel hanö aufs wasser malte und die segel und das deck im fahlen licht leuchten ließ.
jetzt liegt das boot mit mir hier vor anker in der sonne, mit einer schönen brise aus nordwest, beste bedingungen zum losfahren, und angesichts der kommenden woche, die gleichzeitig meine letzte segelwoche ist in diesem jahr, entwickelt sich ein bisher auf dieser reise kaum gespürtes fernweh wieder, sehnsucht und lust auf eine weite reise.

17. Aug. 2011

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