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Navberry Pi - hat's funktioniert?
Mit dem Navberry Pi (= Raspberry Pi mit getweaktem OpenCPN als Navigationsrechner, mehr dazu hier) als Bordrechner kamen wir immerhin ohne navigatorische Probleme bis Hiddensee. Waren also insgesamt zwei Tage damit, in heimischen Gewässern, unterwegs. Dabei gab es leider ein paar Probleme:

  • Wenn wir den Motor starteten, und also die Spannung im Bordnetz kurzzeitig schwankte und dann auf 14,5 Volt anstieg, hängte sich der Rechner auf. Nicht gut. Weil wir ein Netzteil benutzen (der Rechner selbst läuft auf 5 Volt) muss es wohl daran liegen, ist also nicht primär das Problem des Rechners. Optimierungsbedarf.
  • Mit der OpenCPN-Version von Sean de Pagnier (siehe das oben verlinkte Posting) konnten wir unsere Vektorkarten zwar nutzen, Zoomen und Verschieben sowie Detailansichten waren aber eingeschränkt. Das liegt am hohen Speicher- und Rechenaufwand der Vektorkarten, mit Rasterkarten funktioinierte die Sache deutlich besser - wir haben aber eben Vektorkarten. Wenn also zuviel gezoomt wurde, z.B. bei einer Änderung der Route unterwegs, dann hängt sich das Programm auf und musste neu gestartet werden.
Für die Küstensegelei ist dieses Setup deshalb leider nur bedingt geeignet. Wenn es nämlich drauf ankommt - und wenn viel gezoomt und verschoben und umgeplant werden muss, dann kommt es meistens irgendwie drauf an - funktioniert das Gerät nicht ausreichend zuverlässig.
Auf unserer Sommerreise entlang der schwedischen Westküste und der norwegischen Südostküste, durch die Schären und durch Gebiete, die wir selbst noch nie befahren hatten, griffen wir deshalb auf die bewährte Lösung zurück (ein kleiner Laptop, der aber einfach nur als Rechner fungierte, mit einem externen Bildschirm und einer Maus zur Bedienung am Navigationsplatz). Aber die Entwicklung im Bereich der Kleinstrechner geht so schnell, dass es inzwischen schon einige günstige Alternativen zum Raspberry Pi gibt, und deshalb gibt es auch für Aimé sicher bald schon eine bessere Lösung, die Energiesparen und ausreichend Rechenleistung gut verbinden kann.

12. Dec. 2014

Nebelfahrt im Herbst
Übers Wochenende nach Rügen gefahren; schon gleich ab Greifswald so diesig, dass wir das jeweils nächste Tonnenpaar des Fahrwassers nur erahnen können. Der Greifswalder Bodden ist groß, und im November sind nur wenige Boote unterwegs, wir fahren vertrauensvoll rein in den Dunst.
Westlich des Landtiefs verdichtet sich der Dunst zu einem Nebel, wir sehen kaum noch fünfzig Meter weit. Blasen alle zwei Minuten kräftig ins Nebelhorn. Land ist schon lange nicht mehr in Sicht. Zwischendurch scheint von oben die Sonne noch in die flache Wolke hinein, die uns umgibt.
Vor der Anfahrt nach Gager bergen wir das Vorsegel, fahren nur mit dem Großsegel und mit ungefähr drei Knoten Fahrt durchs Fahrwasser. Durch den Nebel höre ich zwei Männer sprechen, Angler auf ihrem kleinen Motorboot. Sehen kann ich es nicht. L. sitzt unten und navigiert uns mit dem Plotter zwischen den Untiefen hindurch, nur ungefähr hundert Meter von der Steilküste entfernt; zu sehen ist nichts, nur Nebel. Gespenstisch tauchen ab und an die Fahrwassertonnen aus dem Nebel, dann korrigiere ich den Kurs ein wenig, langsam gleiten wir durch die verschwommenen Tore. Bald taucht der Hafen auf. Wir legen uns neben einen an insgesamt vier Heckbojen mehrfach verzurrten hölzernen Kahn, der wohl schon eingewintert ist. Gehen von Bord in die verschwommene Landschaft. Suchen nichts. Und finden nichts.

bilder

04. Nov. 2014

Nach der Reise - Erinnerungen
Die Reise ist schon seit einer Weile vorbei, ein paar Ereignisse warten noch auf ihre Erzählung, aber hier gibts schonmal Video (denn was ist unsere Erinnerung, wenn nicht Film, Bild, Klang und Musik?), Musik von Loucielle, die zehn Tage mit uns unterwegs war.

16. Sep. 2014

Nachtrag: Bilder
Bilder gibts immer nur, wenns Netz gibt, und heute gibts endlich mal wieder Netz. Nach der langen Tour rund Skagen sind wir mit dem Nordwind, der auch die nächsten zwei Tage noch wehte, direkt quer durchs Kattegat bis zum Nordende des Sunds gefahren, mit einem kurzen Zwischenstop auf Anholt (wo ich nur einmal kurz ausgestiegen bin (das hat allerdings schon gereicht, dass ich gerne geblieben wäre, aber das Wetter trieb uns weiter)). Gestern kurz nach Sonnenuntergang sind wir in Mölle eingelaufen, da liegen wir jetzt noch bis morgen. Mit Netzzugang. Also Bilder.

Kristiansand

Von Hunnebostrand bis Jomfruland.

Von Hunnebostrand bis Jomfruland (für Freunde).

29. Aug. 2014

Rund Skagen
Heute morgen gegen neun haben wir nach 27 Stunden Fahrt im östlichen Hafen von Laesö festgemacht. Von Lillesand aus sind wir quer übers Skagerrak gesegelt, dann rund Skagen und noch ein Stück ins Kattegat rein bis zu dieser Insel. War eine extreme Fahrt, alle sind ziemlich erschöpft, Schiff und Crew sind wohlauf.
Das Wetter am Anfang nicht so einfach, weil nordwestlicher Wind direkt von hinten, dabei eine alte, zwei Meter hohe See von Westen, sodass Schmetterlingsegeln schwierig ist. Nach ungefähr vier Stunden schläft der Wind ein, wir starten den Motor. Gegen Nachmittag dann, die See hat sich inzwischen etwas beruhigt, kommt ein schwacher Westwind auf und wir setzen das große Vorsegel zum ganzen Groß, das wir in Norwegen bisher nur selten komplett setzen konnten. Jetzt eben mitten auf dem Meer. Überhaupt dieser irre Zustand, fast einen ganzen Tag und die halbe Nacht ohne Landsicht zu sein. Hochseevögel winkten uns zu.
Für die Nacht verkleinern wir die Segelfläche. Sonne geht unter. Verkehr nimmt zu. Um elf Uhr abends kommt der erste Leuchtturm von Skagen in Sicht. Gegen eins dann navigatorisch komplizierte Fahrt durch eins der dichtest befahrenen Nadelöhre der Großschifffahrt, durch die ich je quer durchsegeln musste. Die AIS-Erweiterung des Plotters bewährt sich, ohne wären wir sicher abgedreht und weiter an die schwedische Küste gesegelt. Ein Tanker, Containerfrachter und so weiter nach dem anderen nimmt Kurs auf uns und zwingt uns, nach Backbord auszuweichen, also weg von Land und weg von unserem Ziel. Nach einer Stunde zeigt sich eine kurze Lücke und wir nehmen Kurs aufs Kap, um innerhalb der Schifffahrtsstraße zu runden.

screenshot (leider nur für freunde (Datenschutz)).

Drei Stunden später dann eine ewige Dämmerung und ein Sonnenaufgang, mitten auf dem Meer. Kattegat fühlt sich irgendwie sanfter an als das atlantische Skagerrak. Mit raumem Wind und fünf bis sechs Knoten zügig zur Insel. Da liegen wir jetzt. Ein Drittel der Rückreise ist geschafft. Für die nächsten zwei Tage ist weiter nördlicher Wind angekündigt, den wir nutzen wollen. Erstmal sind wir erschöpft und glücklich, dass wir diese Fahrt gemacht und gut gemeistert haben.

26. Aug. 2014

kristiansand
Hier angekommen sind wir nach einer sehr kurzen Fahrt von einer Insel, die sich selbst auf einer Infotafel als lush island beschrieb. Deshalb wahrscheinlich dann hier, in Kristiansand, auch ein lush life, zumindest was das Aufschreiben der Reisedaten und -impressionen angeht. Liegen jetzt seit vier Tagen hier im Hafen, come rain or come shine, es ist wenig passiert. Außer:

Spaziergänge: Kristiansand ist eine Königsstadt, großplanerisch auf dem Reißbrett entstanden, und weil Barock/Aufklärung sind die Straßen rechteckig und parallel angelegt, die Innenstadt ist quasi quadratisch (und heißt deshalb auch Kvadraturen). Außenrum natürlich die üblichen outskirts, fett und reich auf der Sonnenseite der Bucht, den Fluss entlang und am Hafen, mehr Sozialbaustyle dann in Richtung der Autobahn. Diese Viertel allerdings wiederum sehr schön am Wald gelegen, der hier die felsigen Hügel überzieht, so richtig Sozialbaucharme kommt deshalb auch nicht auf beim durchspazieren.
Der Yachthafen ist vom Industriehafen durch eine Halbinsel getrennt, die Odderöya (ö = o mit Strich durch). Die war bis vor zehn Jahren militärisches Sperrgebiet und wurde dann zum Naherholungsgebiet entwickelt. Schöne Wanderwege an einer kleinen Steilküste entlang, auf den drei Seiten, die zum Meer zeigen, sind noch Geschützanlagen zu besichtigen, die irgendwie nach Weltkrieg aussehen. Teilweise zeigen sich auf dem Weg unvermittelt offene Türen, die in den Fels führen, nach ein paar Schritten in die Dunkelheit ist dann kein Ende in Sicht, und mangels Taschenlampe traue ich mich auch nicht weiter sondern flüchte zurück ins Sonnenlicht.
Einige der Militärgebäude sind in Ateliers umgewandelt, von denen aus zur einen Seite die Bucht zur Innenstadt, zur anderen Seite der Industriehafen mit Containern und Hochseefähren zu sehen ist. Schöne Lage. Trotz Saisonwechsel wirken die Ateliers verlassen, Künstler sind keine zu sehen. Nur im kleinen Gebäude der ehemaligen Pforte, am schmalen Eingang zur Insel, die nur über eine einzige Straße zu betreten ist, hat eine nette Frau ein kleines Café aufgemacht, wo wir ein Bier trinken und das so aussieht, als würden sich hier die Künstler der verlassenen Ateliers treffen. Außer uns sind nur ein paar Freunde der Wirtin da, die uns davon erzählen, dass sie beim Einrichten und Ausbauen des Ladens helfen. Gestern haben sie den Zaun gestrichen (weiß), morgen wollen sie draußen eine kleine Bühne bauen und laden uns ein, dabei zu sein. (Äh, danke, aber hab leider selbst grad zuviel zu basteln (Boot)...).
Bei der Gelegenheit bestätigt sich eine Wahrheit über Norwegen: Ein Bier kostet zehn Euro. Null-drei. Im Supermarkt ist das allerdings billiger, da haben wir, weil einer unserer Gänge an der hiesigen Brauerei vorbeiführte, die, passend oder unpassend, direkt am Friedhof gelegen ist, ein lokales Bier geholt. Schmeckt. Vor allem vielleicht wegen dem Wasser? Das ist nämlich, auch hier, in dieser mittelgroßen Stadt (sechzigtausend EinwohnerInnen), mit das köstlichste, das ich je getrunken habe. Ich würde am liebsten sehr viel davon importieren.
Gestern abend legte im Hafen eine Segelyacht mit lauter Hippies an. Beziehungsweise das Boot lag schon da, an einem der Schwimmstege, quasi gegenüber von uns, als wir aus der Stadt wiederkamen, und im Cockpit saßen bestimmt zehn Hippies. Daneben ein kleineres Boot mit nochmal zehn. Hippies. Und mit der Zeit kamen nach und nach immer mehr, bis irgendwann das ganze Boot voll mit Hippies war. Die da lachten und tranken und sangen und ihre Blumenkinderzöpfe in die Luft warfen. Nach ungefähr einer Stunde gingen die dann alle von Bord und marschierten zur Odderöya, von wo den Nachmittag über schon Musik herübergeweht war. Interessant.
Gingen wir den Hippies also nach auf die Insel (nach ein wenig unergiebiger Internetrecherche, was das denn da sein könnte, einzige Antwort blieb: ein Bierfestival. Hippies aufm Bierfestival?), um mal abzuchecken, was da läuft. Erste Begegnung oder erster Hinweis: Auf der Straße, zweihundert Meter nach der Pforte, lag ein junger Mann auf dem Boden, Arme ausgestreckt, klare Alkleiche, und um ihn rum standen zwei Frauen, eine redete mit ihm, die andere blickte wartend auf den Eingang der Straße. Sie sahen nicht aus, als ob sie Hilfe bräuchten, und kurz nachdem wir vorbei waren, bog ein Taxi um die Ecke und die Frau winkte es zu sich. Der Fahrer war aber misstrauisch und hielt erstmal dreißig Meter entfernt, stieg aus und sah sich die Sache aus der Nähe an. Schien dann aber nicht sonderlich alarmiert und der junge Mann wurde eingeladen. (Irgendwie hab ich im Kopf: in den Kofferraum, aber das kann fast nicht sein, das hab ich vielleicht geträumt.)
Wir also weiter, und nach zwei Kurven dann ein Schild: Novstock, mit Herz und Peacezeichen. Musik dazu: The End, von den Doors, ziemlich originalgetreu nachgespielt von irgendeiner Band. Menschen mit bunten Haarbändern kamen uns entgegen. Dann fuhr ein Taxi an uns vorbei, superglänzende Mercedeskarosse, dunkelblau, getönte Scheiben, Luxusvariante, drin als Fahrgast ein Hippie.
Inzwischen lief ein etwas schnellerer Song von Led Zeppelin und ich hatte richtig Lust auf bisschen Livemusik. Milder Abend, Hippies, open air, prima. Am Einlass dann aber doch säkulare Security, kein Peace, oder jedenfalls nur mit Eintrittsband ums Handgelenk, das wir natürlich nicht hatten, das man vor Ort aber auch irgendwie nicht kaufen konnte. Inzwischen hatte die Band aber auch schon wieder umgeschaltet auf irgendeine schnulzige Rocknummer, was uns gleich wieder ausreichend abtörnte, um zurück auf den kleinen Hügel vor dem Zaun zu steigen und einfach nur so ein bisschen zu kucken. Ein Typ bot uns sein abgerupftes Eintrittsband an, aber das war uns dann doch zu heikel, weil direkt vor den Augen der Einlasser, die sowieso überhaupt nicht beschäftigt waren, weil kaum jemand neu kam (und kaum jemand ging), und die ja wussten, dass wir nichts haben. Deshalb dankend abgelehnt und zurück gelaufen. Bei der Gelegenheit dann das Café in der Pforte entdeckt und dort ein schönes Bier getrunken, dabei die Complete Works von Mulatu Astatke. Wunderbar.

Björnar: Bei unserer Ankunft hier in Kristiansand fuhren L. und ich erstmal in den falschen Hafen. Wunderten uns, dass es so voll ist, und fragten uns, wo denn jetzt die Dalben sind, von denen im Hafenhandbuch zu lesen war. Außerhalb der Mole gibt es hier einen Schwimmsteg, und als wir an den schon gehen wollten, kam ein Typ im Motorboot langsam näher und klärte uns auf, dass das hier der Kommunale Hafen für Dauerlieger sei, und die Einfahrt zum Gästehafen zweihundert Meter weiter. Und dass wir lieber in den Hafen reinfahren sollen, weil draußen der Schwell unangenehm werden könne.
Was wir dann auch machten. Legten dann auch an einem der Dalben an, die im Handbuch beschrieben waren. Die Dalben hier allerdings lustig sehr weit auseinander, sodass man nicht, wie an den deutschen Küsten üblich, mit zwei Achterleinen an zwei Dalben fest ist, sondern mit beiden Leinen an einem Dalben (wenn nicht soviele Boote da sind, sonst eben auch nur mit einer Leine). Da liegen wir jetzt auch seit unserer Ankunft und haben es nicht bereut.
Der Typ hatte inzwischen sein Motorboot auf der anderen Seite der Mole im Kommunalhafen vertäut und kam jetzt zu uns rüber. Bisschen Smalltalk, hallo, woher, wohin und so, und dann holte er zwei Fische aus seinem Eimer und meinte, er hätte heute mit einem Schlag soviel gefangen, dass er das allein mit seiner Frau gar nicht essen könnte, und hier sind zwei Makrelen für euch. Legte sie dann auf die Mole, weil wir noch mit den Leinen beschäftigt waren, und ging zurück zu seinem Boot, um die Persenning drauf zu machen. Wir schön perplex, artig bedankt, und in mir keimte da schon eine große Begeisterung angesichts dieses sauber gefischten und eben wahnsinnig frischen Fischs.
Als die Leinen fest waren war auch der Typ gerade fertig und ich ging rüber, lud ihn zum Kaffee ein, was er auch sofort dankend annahm. Sonne, wir noch glücklich, dass wir angekommen sind, und der Typ hatte ein schönes Lachen, lobte das Schiff und erzählte von seinen eigenen Abenteuern. Als junger Mann ein Boot gebaut und damit nach Südamerika gesegelt, später mit seiner Frau, und einem anderen Boot, die ostatlantischen Inseln, also Kanaren, Madeira, Azoren, ein Jahr lang, dafür die Wohnung in Norwegen verkauft, auf dem Boot gelebt. Später eine Tour in die Karibik, insgesamt eben viel gesegelt, seit acht Jahren aber kein Boot mehr, weil zu wenig genutzt.
Björnar heißt er, kam am Ende raus, als wir dann doch mal Namen austauschten. Und neben seinen Reiseberichten hatte Björnar auch ein paar gute aufmunternde Sprüche parat. Wenn das Wetter schlecht wird, einfach Segel wegnehmen, langsam fahren, das gibt Sicherheit. Klingt vielleicht banal, ist jetzt auch nichts, was ich nicht selbst schon gewusst hätte, besonders war aber die tiefe Überzeugung, die er in diese Sätze packte. Und weil er das mit einem Lob unseres Bootes verknüpfte - dass unser Boot alle möglichen Wetter aushält - war das natürlich schön zu hören (die paternalistische Geste, die sich auch darin fand, war mir in dem Moment herzlich egal).
Den Fisch bereitete ich später am Abend im Topf zu. Erst Kartoffeln angebraten, schön gewürzt, dann bisschen Wasser dazu, den einen, größeren Fisch komplett (ohne Kopf und ohne Schwanz, aber eben nicht filetiert) dazu (mit bisschen Gewürz in den Seiten und innen, wie N. mit das gezeigt hat), den anderen versuchte ich nach Netzanleitung zu filetieren. Was sehr dünne Filets und viel Abfall ergab, aber den Versuch wars wert. Ab jetzt die Fische eben ganz. Weil der ganze wurde durch diese ganze Prozedur unglaublich gut und zart und das Fleisch ging ganz leicht von den Gräten ab und sogar die Haut ließ sich ablösen, ein echtes Fest.
Vor zwei Tagen hab ich mir hier im lokalen Angelshop eine Angel und ein paar Blinker gekauft, für Makrele, Dorsch und Meerforelle. Bei der nächsten Gelegenheit (Ankerbucht) probier ich das mal aus. Wie man einen Fisch ausnimmt und schuppt hab ich von N. gelernt, Zubereitung eigentlich auch, zumindest grob (seit heute haben wir auch wieder Knoblauch), nur das mit dem Töten wird noch eine kleine Extremerfahrung. Meine Vorstellung: Fisch aufs Brett und Kopf abschneiden.
Dafür hab ich gestern, weil alle Messer hier an Bord zu stumpf sind, um frischen Fisch ordentlich zu schneiden, ein Gerät zum Messerschärfen besorgt und erstmal die Messer geschärft. Jetzt schneiden die wieder richtig gut und das sollte dann auch für diese Fischoperation reichen.

Antarktis: Bis heute vormittag lag neben uns ein Holländer, ziemlich gut geschütztes Boot, Mittelcockpit mit hoher Achterkajüte, hohes Freibord, alle Leinen im Cockpit, machte einen stabilen und sicheren Eindruck. Der Typ sprach uns an, weil er die Messwerte von seinem Voltmeter abgleichen wollte. Wofür ich ihm meins gerne auslieh. Wir schnackten dann noch eine Weile, und er erzählte, dass er eigentlich jedes Jahr nach Skandinavien segelt. Dieses Mal ist er ein bisschen spät dran, will aber jetzt noch entspannt die Ostküste hoch, dann die schwedische Küste runter und vermutlich durch den Nord-Ostsee-Kanal wieder in die Nordsee.
Ziemlich bald fing er dann aber an, von einer Kreuzfahrt in die Antarktis zu erzählen, die er wohl vor einigen Jahren mal gemacht hat. Mit traumatischen Erfahrungen. Das Schiff geriet in einen schweren Sturm, die Passagiere durften ihre Kabinen nicht verlassen, die Wellen zerschlugen eine Reihe von Fenstern auf dem Oberdeck, er flog in seiner Kabine durch die Gegend, richtete sich irgendwann mit seinem Kumpel, mit dem er die Kabine teilte, auf dem Boden ein, um nicht ständig aus dem Bett zu fallen.
Von dieser Geschichte kam er dann schnell darauf zu sprechen, dass er selbst in absehbarer Zeit mit dem Segelboot in die Antarktis reisen will. Die Bedingungen dort seien heftig, und man brauche das richtige Boot, nur seins sei eigentlich für den englischen Kanal gebaut, und er sei sich nicht sicher, ob es für eine solche Reise taugt, und vielleicht müsse er sich noch ein anderes kaufen. Diese schnelle Assoziationskette ging mir nahe, fand ich eher heftig, weil sehr ehrlich, gleichzeitig ein schwieriges Verhältnis zu seinem eigenen Boot offenbarend. Denn das Boot sah andererseits ziemlich gut aus, also gut in Schuss, und gut ausgerüstet (Windgenerator, Autopilot, Radar, Anti-Kenter-Container im Mast usw.).
Anschließen konnte ich, weil ich selbst auch Zweifel an meinem Boot bekommen habe auf der Fahrt hierher. Vor allem das Cockpitdesign ist subooptimal, und auch das schnelle und weite Überholen bei Wind finde ich nicht so richtig erstrebenswert, dazu kommt das Rigg, das für wirklich schweren Einsatz noch einen Tick robuster sein könnte. Vielleicht war es genau deshalb gut, dass der Typ mir dieses Verhältnis nochmal gesteigert beim kurzen Schnack am Steg gespiegelt hat. Weil mir das gleichzeitig auch wieder klar gemacht hat, dass wir hier bei sechs bis sieben Beaufort und zwei bis drei Meter Welle vor Norwegen mit Sturmfock und dreifach gerefftem Großsegel uns gegenan gekämpft haben, um noch bis Kristiansand zu kommen, und dass das Boot diese Strapazen ohne Probleme mitgemacht und gut überstanden hat. Und dabei noch seine Seegängigkeit bewiesen hat, weil es zu keinem Zeitpunkt, mit oder ohne heftige Krängung, rabiat in die Seen eingesetzt hat, sondern immer schön weich aufgekommen ist, den Kurs gut gehalten hat, solange genug Kraft (und nicht zuviel) in den Segeln war, und bei den Segelmanövern fast wie von allein eine gute Stellung zu Wind und Wellen fand.
Heute kam dann Björnar nochmal kurz vorbei, kam schnell an Bord, während wir gerade dabei waren, den Diesel aus dem Reservekanister in den Tank zu füllen, und war ganz froh, auf einem Boot zu sein, schnackte auf Norwegisch mit den Nachbarn, dann auf Englisch noch ein bisschen mit uns - und erzählte dann davon, dass sein Plan ist, in fünf Jahren, wenn er in Pension geht, in der Karibik ein Boot zu kaufen und in die Antarktis zu segeln. Anders als bei unserem niederländischen Kollegen sprühte aber aus Björnars Augen die Abenteuerlust, und neben dem Träumerischen auch ein Ansatz realistischer Planung. Und, noch wichtiger, das Ganze schien nicht mit Furcht durchsetzt, und Trauma, sondern mit der Energie intensiver Wünsche. Keine Ahnung, ob einer von den beiden je mit dem Boot in die Antarktis reist. Aber dass die zwei Leute, mit denen ich mich hier ein bisschen privater unterhalte, beide in die Antarktis wollen, ist schon irgendwie irre. Was ist das wohl mit den alternden Männern und der Antarktis? Und was, wenn es das gibt, ist wohl mein mythisches Ziel, meine Antarktis?

Morgen geht es hier jedenfalls erstmal weiter. L. kommt zurück, T. ist schon seit ein paar Tagen an Bord, und wir treten zu dritt die Rückreise an. Erstmal ein Stück die Küste hoch nach Nordosten, dann, aller Voraussicht nach, mit einem längeren Schlag quer übers Skagerrak nach Skagen oder nach Laesö. Die andere Option ist, weiter der Küste und damit also unserem Weg hierher zu folgen. Was knapp 150 Seemeilen länger wäre. Im Moment spricht das Wetter für die Querungsroute. We'll see.

23. Aug. 2014

Nachtrag Bilder
Hier erstmal ein Nachtrag der Bilder zu den letzten Berichten. Einiges fehlt noch. Tisler. Und anderes. Mehr hat die Erschöpfung, die sich jetzt, nach ein paar Tagen im Hafen, und nach vier Wochen unterwegs, durchgesetzt hat, noch nicht zugelassen. Aber heute regnet es, und die Worte zu den vergangenen Tagen werden sich zumindest noch zu einer Zusammenfassung finden lassen, hoffe ich.

bilder

bilder für freunde

22. Aug. 2014

Tisler
Von Hunnebostrand segeln wir einen Tag lang mit entspannter Segelfahrt durch die wunderschönen, malerischen schwedischen Schären. Weil wir früher an der Ankerbucht sind, die wir uns für die Nacht ausgesucht haben, und weil wir durch den Sund, in den uns der Weg durch die Schären am Ende geführt hat, gute Fahrt machen, segeln wir noch weiter. Und landen irgendwie am Ende der Welt.
Tisler, Norwegen, Offshore-Felsen am nördlichen Ende des Skagerraks. Im Abendlicht suchen wir uns den Weg zwischen Steinen und Felsvorsprüngen hindurch zum Ankerplatz. Ein Segelboot hat sich mit Heckanker und Landleinen an die Felsen gelegt. Wir wollen ein Stück weiter, hinter dem nächsten Felsen in einer kleinen Bucht mit Sandgrund, ankern. Sind völlig begeistert von diesem kargen Felsen mitten im Meer und gleichzeitig völlig entsetzt. Kurz der Impuls, umzukehren und sechs Seemeilen zurück ans schwedische Festland zu fahren.
In der Ankerbucht finden wir eine Mooringtonne des Königlich Norwegischen Kreuzerklubs. Und haben diesmal keine falsche Scheu, legen uns schnurstracks mit einer dicken Leine an die Boje. Vor uns, neben uns Felsen nur dreißig, vierzig Meter weit weg. Etwas weiter hinten in der Bucht ein ganz schmaler Sandstrand. Nach Nordwesten hin offenes Meer, Blick auf die norwegische Küste in der Ferne.
Offshore, trotz des guten Schutzes wiegt sich das Boot in der Dünung, die hier um die Felsen herumdreht. Die Sonne geht unter, im Südosten ziehen Regenschauer übers Festland. Wir schwimmen an Land, Tisler, Felseninsel im nördlichen Meer. Am Strand finden wir einen kleinen Haufen Kleidung, ein wenig versteckt, von der Sonne gebleicht, irgendwann vergessen, Spuren des Sommers. Dämmerung, wir laufen über die Steine, oben überraschend Rundumblick über Meer und Küsten, und über diese karge Felseninsel, Heidekraut, hier und da ein paar knorrige, vom Wind gebeugte Bäume, Ferienhäuser, die jetzt, so spät in der Saison, alle verschlossen und mit Holzbrettern gegen das Wetter geschützt sind.
Wir klettern den Felsen runter, nicht zum Strand, sondern an die Stelle direkt neben dem Boot. Schwimmen im Dämmerlicht zurück an Bord. Können nicht ganz glauben, was wir gesehen haben. Das Boot schaukelt im Schwell. Durch die Fenster sehen wir Felsen, später Sterne, ferne Lichter an der Küste. Nach den vielen gut geschützten Buchten und Häfen in den Schären ist das hier alles ziemlich irre. Stimmung wie Ende der Welt. Felsen im Meer. Mythisch. L.: Tisler ist ein Ort, an dem man nicht so schnell vergisst, wo man ist.

14. Aug. 2014

Alptraum und Trauma
Um einmal auszutesten, wie sich das Skagerrak auf offener See anfühlt, und um mit dem guten Südwestwind Strecke zu machen, beschlossen wir, einen Tag lang nicht innerhalb des Schärengürtels, sondern draußen zu segeln. Bei sechs Beaufort in der Düse zwischen den Schären starteten wir hoch am Wind mit dreifach gerefftem Großsegel und der Starkwindfock. In den Sund standen zwei Meter hohe Wellen, die aber erstaunlich okay zu bewältigen waren. Einmal ist es dort schon sehr tief, sodass sich die Wellen nicht aufsteilen, und zum anderen waren die großen Wellen keine Windsee, sondern Schwell, der aus den westlichen Regionen des Skagerrak, wo es in den vergangenen Tagen gestürmt hatte, heraus lief.
An den Felsen brachen sich die Wellen und warfen Gischt in den Himmel, weißes Meer und dunkle Felsen, shock and awe.
Bald bogen wir nach Nordwesten ab, um eine schmalere Ausfahrt durch den Schärengürtel zu nehmen, die uns erstmal ruhigeres Wasser brachte, bis wir dann den Schärengürtel hinter uns ließen und mit halbem bis raumem Wind und der Strömung im Rücken gute Fahrt nach Nordnordwest machten. Die Sonne brach sich auf den Wellenkämmen der regelmäßig anlaufenden Seen, die uns beständig und wuchtig voranschoben. Über uns Wolken, in der Ferne hier und da eine Schauerbö, zwischendurch auch der hoch aufragende Kamin oder der eisige Amboß einer Gewitterwolke.
An einem Kap - solche Dinge passieren immer an einem Kap - schob sich eine dieser Wolken an unseren Kurs heran. Auf eine Gewitterbö hatten wir uns mental schon eingerichtet. Der Regen schien lokal begrenzt, und Donner war nur alle paar Minuten zu hören. Als sich die Böenwalze an uns heranschiebt, bergen wir die Fock und drehen das Boot mit dreifach gerefftem Großsegel bei. Inzwischen hat der Wind gedreht und stark abgeflaut. Aimé wird von den Wellen stark bewegt, es fehlt die Stabilisierung durch die Vorwärtsfahrt.
Als die Bö uns trifft und der Starkregen einsetzt, gehen wir unter Deck, um abzuwarten, bis das Gewitter durchgezogen ist. Blitz und Donner, unmittelbar bei uns. Und schon zwanzig Minuten Später lichtet sich der Regen, wird wieder Himmel sichtbar. Nur um uns zu zeigen, dass bereits die nächste Gewitterbö im Anzug ist. Der Wind ist weg, geschluckt von den atmosphärischen Störungen. Und während die zweite Gewitterbö nur sehr langsam auf uns zu zieht, dunkelt sich in Lee von uns über Land der Himmel immer stärker ein. Blitze und Donner dort nehmen an Stärke zu. Die Gewitterbö, durch die wir erstmal gut durchgekommen sind, wächst sich über Land schnell zu einem weitläufigen und starken Gewitter aus, das den Abfluss der danach anziehenden Wolken stoppt und sie ihrerseits zum Aufballen treibt. Inzwischen sehen wir in Luv von uns mehrere heftige Gewitterböen, die sich langsam ausweiten. Noch immer ist fast Windstille, und nur die Strömung versetzt uns mit zwei Knoten in die richtige Richtung. Angesichts der gut sichtbaren Böenwalzen wollen wir nicht mehr Segelfläche setzen.
Das zweite Gewitter ist gewaltiger als das erste. Erst nach knapp einer Stunde entlässt es uns wieder in einen schwach zurückkehrenden Westwind. Und die Aussicht auf ein ganzes Band von Böenkrägen. Schon vor dem zweiten Gewitter haben wir das Großsegel geborgen, um das Tuch zu schonen. Jetzt setzen wir die Sturmfock und starten den Motor, um endlich von diesem Kap weg und aus dieser Gewitterlinie herauszukommen. Was uns auch gelingt, und eine Stunde später hat sich der eigentliche Wind wieder durchgesetzt, wir setzen, erschöpft und immer noch misstrauisch gegenüber den größeren Cumuluswolken, das Großsegel und segeln wieder.

Am späten Nachmittag, einige Stunden später, erreichen wir die Einfahrt in den Schärengürtel. An den ersten Felsen brechen sich die Wellen, Gischt hier und da verrät die Unterwasserfelsen, die wir umfahren müssen, um ins innere Fahrwasser zu kommen. Das Wasser beruhigt sich erst, als wir um die Ecke in die Bucht segeln, in der der Hafen Hunnebostrand, unser Ziel für heute, liegt. Bei bestem Wetter segeln wir in die Bucht ein, bergen kurz vor dem Hafen an einer gut geschützten Stelle die Segel, bereiten das Boot in Ruhe zum Anlegen vor.
Im Hafen liegen wir mit Heckboje außen am Steg. Ein schwedisches Paar nimmt unsere Vorleine entgegen. Er fragt in perfektem Deutsch, wo wir herkämen, was der Heimathafen des Schiffs sei, und schnell stellt sich raus, dass er fünf Jahre lang als Ingenieur in Greifswald am Kernfusionsprojekt Wendelstein 7x gearbeitet hat. Für mich ist das ein wunderschöner Gruß aus der Heimat. Das Gewitter steckt uns noch ziemlich in den Knochen und wir gehen erstmal in eine Bar, um unser glückliches Durchkommen zu feiern und den Nerven ein bisschen Gift zu geben. Am nächsten Tag können wir unseren beiden Freunden nur noch beim Ablegen zuwinken. Wir bleiben erstmal da, Ruhetag in Hunnbebostrand.
Der Hafen selbst ist merkwürdig. Eine Seniorenidylle in der Nachsaison. Die zweite Begrüßung bei unserer Ankunft war denn auch, von einem anderen Nachbarboot, ungefähr fünf Minuten nachdem wir die Leinen festgemacht hatten: Ihr müsst eure Fallen abspannen, die machen Lärm. Oh! Danke für den Hinweis! Schlechte Erinnerung an ordentliche Verhältnisse in deutschen Marinas. Wobei. Das gibt es offenbar überall. Als nächstes, wir haben gerade die Segel eingepackt und machen unter Deck eine kurze Pause, kommt der Hafenmeister, klopft laut gegen den Bug und will wissen, ob wir die Hafengebühren schon bezahlt haben. Nein, haben wir noch nicht. Wir sind eben erst angekommen. Na dann aber dalli.
Ist uns aber auch egal. Wir liegen gut geschützt, können nach zwei Ankernächten mal wieder trockenen Fußes an Land und das reicht uns erstmal.
Im Dorf selbst machen die Klamottenläden für die Seniorentouristen großen Schlussverkauf. 70 Prozent auf alles! Bis zu 80 Prozent auf Helly Hansen, Pelle P, Penny Lane und was sonst noch alles für Originale und Kopien in den Auslagen auf die letzten Schnäppchenjäger warten. Einige Läden haben auch schon zugemacht. Danke für den tollen Sommer! steht auf Pappschildern im Schaufenster.
Die Häuser wirken, als wäre hier ausnahmslos fast alles nur für Feriengäste. Dabei sind die Holzhäuser ganz malerisch in den Felsen gebaut, das Dorf hat sich in die Bucht und an den Felsen geschmiegt, wirkt eigentlich wie so gewachsen in dieser Gegend. Früher wurde hier Stein abgebaut, und der Skulpturenpark an der Wasserpromenade zeugt noch davon, dass die Verarbeitung von Stein hier mal wichtig war. Inzwischen ist das von der industriellen zur kulturwirtschaftlichen Nutzung transformiert worden.

13. Aug. 2014

Vergeblicher Versuch, Marstrand zu Fuß zu erreichen
In der Bucht Sjöholmen schwammen wir mit Klamotten im wasserdichten Rucksack an Land. Wanderten zwei Stunden querfeldein durchs Heidekraut, über Felsen und durch kleine Wäldchen hindurch, bis wir zu Häusern kamen. Um die Häuser waren Zäune. Echte und symbolische in unseren Köpfen. Die Straße nach Marstrand war schon zu erahnen. Aber auf den Grundstücken standen gepflegte Männer mit bösen Gesichtern und Schrotflinten hinter dem Rücken. Über ihren Köpfen wehten Nationalflaggen. Wir kehrten um und gingen zurück in die Wildnis der Ankerbucht. Sahen, wie einer im Schlauchboot sich mit Rudern gegen den starken Wind zurück zu seinem Boot kämpfte. Auf dem Boot ein kleiner Junge, der ängstlich rief, "Papa, Papa."
Wir schwammen zurück zum Boot, der Wind schwächte sich gegen Abend ab auf 5-6 Beaufort, wir genossen eine ruhige Nacht und segelten am nächsten Tag weiter.

12. Aug. 2014

Ankern bei Starkwind
Weil wir jetzt einige Tage in der Stadt waren, und weil wir Lust auf Eiszeitsteine hatten, sind wir gestern in eine Bucht nördlich von Marstrand gefahren. Dass das Wetter in der Nacht heftig wird, wussten wir vom Wetterbericht. 22 Knoten Wind, 34 Knoten in Böen, am frühen Morgen Gewitter. Also auch ein bisschen ein Test für unser Ankergeschirr, unsere Ankerstrategie - und unsere Nerven.
In der Bucht hat der Schwedische Cruising Club (SXK) vier Mooringbojen ausgelegt. Die sind für Mitglieder reserviert. Blockieren aber einen großen Teil der Bucht. Als wir ankommen, hängen an drei der vier Bojen Boote, eine vierte Yacht hat direkt mit Heckanker an den Felsen festgemacht. Wir versuchen, den Anker so zu setzen, dass wir von allen Nachbarn gut freibleiben. Was uns leider nicht ganz so präzise gelingt, sodass unser Heck fürs Gefühl ein bisschen zu dicht an den beiden mittleren Mooringbojen landet.
Wir hätten auch einfach an der freien Boje festmachen können. Aber irgendwo habe ich gelesen, dass die Bojen für Schiffe bis maximal acht Tonnen ausgelegt sind. Da liegen wir gerade ein kleines Stück drüber. Außerdem respektieren wir natürlich, dass die Bojen 24/7 für SXK-Mitglieder reserviert sind. Und schließlich wissen wir nicht, wie die Tonnen am Grund verankert sind. Bei unserem Ankergeschirr wissen wir jedenfalls Bescheid, wie das aussieht.
Was allerdings auch nicht vor Zweifeln schützt. Mit 25 kg ist unser Delta-Anker gut dimensioniert. Vor Jahren habe ich diesen Anker second hand für siebzig Euro gekauft. Neupreis ca. 500,- Euro. Der gute Preis hatte allerdings seinen Grund: Der Vorbesitzer war mit dem Anker voraus frontal auf eine Kaimauer gefahren. Dabei hatten sich die Fluken so stark verbogen, dass der Verbindungsstab, der zur Stabilisierung dient, abgesprengt wurde. Die Typen, die den Anker verkauften, hatten die Fluken halbwegs in ihre alte form zurückgebogen, den Verbindungssteg wieder angeschweißt und alles mit Rostschutz übermalt. Wusste ich alles, als ich den Anker kaufte. Dachte aber beim Kauf nicht an eine existenzielle Ankernacht mit 35 Knoten Wind, Starkregen, Gewitter und massiven Felsen sechzig Meter hinter uns. Sondern halt ans Geld (altes Problem). Anker also Zweifel Nummer eins.
Bis jetzt hat der Anker allerdings problemlos überall gehalten. So auch letzte Nacht. Trotz der starken Böen und einer Winddrehung über Nacht von Ost auf Südwest haben wir uns nicht vom Fleck weg bewegt.
Bei acht bis neun Meter Tiefe reichen vierzig Meter Kette alleine nicht aus, zumal die Zugbelastung mit nur Kette ein Vielfaches von dem beträgt, was ein mit Ankertau gedämpftes Geschirr aushalten muss. Deshalb hab ich vor der Abfahrt noch ein 35 Meter langes Polyestertau (16 mm Durchmesser, Bruchlast 4 Tonnen) gekauft und in der Malö Bucht, unserem ersten Tiefwasserankerplatz, eine Kausch eingespleißt, um das Tau, wenn nötig, schnell an die Kette schäkeln zu können. Hat dort gut funktioniert. Und hier bisher auch. Man merkt richtig, dass das Tau durch die Dehnung die Lastspitzen auffängt und dadurch das ganze System etwas dämpft.
Und jetzt haben wir also vierzig Meter Kette und etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Meter Seil draußen, die unser Boot halten. Und halten müssen sie es wirklich. Denn wie gesagt: Um uns, in jeweils ca. sechzig Metern Abstand, Felsen. Aber nachdem wir diese Nacht mit Windspitzen in Sturmstärke hier überstanden haben, ist der Tag jetzt, auch wenn es weiterhin mit sechs bis sieben Beaufort weht und eben eine Gewitterbö über uns weg zog, weitere vor uns und um uns herum sich erhaben in den Himmel wölben.
Weil es so sehr weht haben wir beschlossen, heute und auch die Nacht über in der Bucht zu bleiben. Denn auch wenn der Wind hier über die sehr flachen Felsenhügel heftig drüberweht, liegen wir doch noch einigermaßen geschützt, und zumindest zusätzlichen Seegang haben wir hier nicht zu befürchten. Der Wind drückt das Boot hin und her, und immer, wenn nach einer kurzen Windabschwächung das Ankergeschirr das Boot etwas nach vorne gezogen hat und dann die nächste Bö einfällt, dreht sich das Boot fast quer und wird vom Wind auf die Seite gedrückt.
Einerseits ist das alles ein aufregendes Abenteuer. Auf der anderen Seite könnte der Wind von mir aus aber auch mal wieder ein wenig abflauen, und wenn es nur konstant sechs Beaufort sind. Damit wir nochmal schön an Land gehen und nach Marstrand spazieren können, das gestern bei der Durchfahrt so malerisch aussah.
Zwischendurch, wenn eine Gewitterwolke heranzieht, der Gedanke, das Ankergeschirr könnte nicht halten und der Sturm uns auf die Felsen treiben, und blitzartig die Erkenntnis, dass unser Wohl und Wehe an einem 25 Kilogramm leichten Anker, 40 Metern Kette und einer weißen Polyesterleine hängen. Und am Umgang damit, am Setzen des Ankers, am richtigen Eingraben (wir gestern mit 2000 Umdrehungen rückwärts) und schließlich an einem unkkalkulierbaren Rest, der im Erhabenen der großen Wolken verborgen bleibt. Und der nach einem Vertrauen verlangt, das sich nicht abschließend auf technische Wahrheiten stützen kann, nur auf das Wohlwollen des sandigen Grundes, genug Halt zu bieten, und darauf, dass die Flügelschläge der Schmetterlinge, die die Ereignisketten bilden, zu denen auch unsere Gewitterböen zählen, schon irgendwie so ausgeführt sind, dass sie uns nicht ins Unheil stürzen.
In Torekov hat uns eine weiße Kirche den Weg gezeigt, in Marstrand sind wir an der Elida - "Sailing for Jesus" vorbei gesegelt, und ich kann mir zumindest vorstellen, was es für die Seeleute bedeutet haben mag, diese Zeichen zumindest in Landnähe sehen zu können, um doch irgendeinen Grund zu finden dafür, dass der Anker hält, das Schiff schwimmt, die Segel weiter tragen.

11. Aug. 2014

Etappenziel Göteborg
Auf dem letzten Stück (etwa 50 Seemeilen) von Varberg nach Göteborg werden wir vom abflauenden Nordwestwind ausgebremst. Die ersten Kreuzschläge gelingen noch gut, aber dann wird der Wind so schwach und die Strömung, die südlich die Küste entlang setzt, so stark, dass wir kaum noch Strecke gut machen und uns endlos sündwestlich der kleinen Insel Nidingen festkreuzen. Der Wetterbericht hatte für den Tag westlich drehenden Wind angekündigt, weshalb wir uns entschieden, früh einen längeren Schlag nach Westen zu machen und außen an Nidingen vorbeizusegeln, um dann bei drehendem Wind in einer besseren Position zu sein. Leider drehte der Wind nicht, sondern flaute übel ab. Und die Strömung trieb uns heftig zurück nach Süden. Dass der Weg innen herum besser gewesen wäre, sahen wir an einer anderen Yacht, die zuvor eine ganze Weile gleichauf mit uns gesegelt war, dann aber einen Schlag zur Küste gemacht hatte, als wir den Weg nach Westen wählten, und die, während wir noch südwestlich von Nidingen dümpelten, langsam am nördlichen Horizont verschwand.
Als absehbar war, dass wir die Strecke bis Göteborg am Tag nicht schaffen würden, und als der Wind dann ganz weg war, packten wir das Vorsegel ein und motorten, stabilisiert durch das Großsegel, zu einer nicht weit gelegenen Ankerbucht, Skallahamn. Diese Buch wird laut Segelhandbuch schon seit langer Zeit als Ankerbucht genutzt. Direkt neben Skallahamn liegt die Malö Bucht. Beide Buchten sind durch eine Reihe kleiner Felseninseln nach Südwesten geschützt, die Anfahrt erfolgt deshalb entweder von Süden oder von Nordwesten. Als bei der Annäherung an die beiden Buchten klar wird, dass wir die nördliche Einfahrt nehmen, und dass Skallahamn deshalb etwa eineinhalb Seemeilen weiter wäre als die Malö Bucht, entschließen wir uns, in der Malö Bucht zu ankern.
Am Eingang zur Bucht begegnet uns ein belgischer Segler, den wir schon von weitem von Norden kommen sahen. Die Reise von Belgien ist weit, und man sieht selten Boote, die aus anderen Ländern als den skandinavischen oder Deutschland kommen. Das Boot ankert auch in der Malö Bucht und lichtet am nächsten Morgen kurz vor uns den Anker.
Der Wind hat inzwischen auf Südwest gedreht, und von der Malö Bucht aus segeln wir wieder mit guter Geschwindigkeit nach Norden. Die Strömung setzt weiterhin mit fast einem Knoten nach Süden, aber bei sechs Knoten Bootsgeschwindigkeit lässt sich das wieder gut verschmerzen. Schon bald erreichen wir die der Stadt vorgelagerten Schären, kleine und große Felseninsel, die erst langsam und etwas weiter draußen, dann immer schneller, zahlreicher und größer vor uns und um uns auftauchen. Einen ersten Eindruck davon haben wir schon bei der Annäherung an Skallahamn bekommen, vor allem davon, wie nah man diesen Dingern mit dem Boot kommen kann. Jetzt fahren wir zum Teil nur zwanzig Meter an einem Felsen vorbei und messen mit dem Echolot immer noch knapp zwanzig Meter Wassertiefe. Das ist tiefer, als der Greifswalder Bodden an seiner tiefsten Stelle werden kann. Direkt neben festem, trockenem Land. Es dauert eine Weile, bis ich mich daran gewöhne. Hier geht die Gefahr, auf Grund zu laufen, eher von Steinen aus, die man nicht sieht (also weder draußen noch auf der Karte). Zum Glück sind das vergleichsweise wenige, zumindest solange man sich an die gut in der Karte bezeichneten und ausreichend betonnten Fahrwasser hält. Und L. navigiert uns sicher an allen Gefahren vorbei in diese Inselwelt, die sie aus früheren Besuchen in Göteborg zumindest von der Fähre aus zum Teil schon kennt.
Idyllisch liegen Häuschen und Schiffchen in dieser Landschaft, die ein bisschen wie the Shire, nur eben als Insellandschaft, wirkt. Hügelig, grün, friedlich.
In Göteborg legen wir beim Königlichen Yachtklub (GKSS) an . Natürlich. Am Morgen habe ich mit L. um ein Bier im königlich schwedischen Yachtklub gewettet (und verloren), das wir dann nach dem Anlegen doch lieber am Kiosk trinken wollen. Aus Stilgründen. Leider hat der Kiosk schon zu, also gehen wir doch in das Haus mit der goldenen Krone drauf. Well dressed Barkeeperin, auf der Terrasse, über die man das Etablissement betritt, sitzen nur noch zwei angeheiterte Damen, die Reste ihres königlichen Essens stehen noch auf dem Tisch. Sonst ist alles leer. Schon geschlossen, meint die Frau hinterm Tresen. L. fragt nochmal nach, was mit Getränken geht, und die Barfrau lässt sich wirklich noch zwei Bier aus dem Zapfhahn leiern. "Wenn ihr euch draußen hinsetzt." Machen wir gerne, ist eine wirklich schöne, laue Nacht. Nach elf Tagen unterwegs, davon zwei Tage Boddenfahrt und sechs Tage auf See, sind wir in Göteborg angekommen und haben unser erstes Etappenziel erreicht.
Wir bleiben drei Tage, treffen Freunde, erledigen ein paar Dinge am Boot. L. kennt die Stadt aus früheren Besuchen und Arbeitsaufenthalten, und so finden wir auf den Fahrrädern, die uns der Königliche leiht, leicht unseren Weg. Es ist schön, am Fluss entlang zu radeln, am Kunsthaus Röda Sten vorbei in irgendein Café. Andere Freunde wohnen eine halbe Stunde von Göteborg in einer alten Dorfschule, die idyllisch, aber auch ein bisschen düster in einem Wald gelegen ist. Wir besuchen sie dort, sie haben vor erst einer Woche ein Kind gekriegt. Mit dem sie am nächsten Tag zum Arzt müssen, und deshalb gibt es dann im Anschluss gleich den Gegenbesuch bei uns an Bord, was uns eine große Freude ist, zumal es der Kleinen mit dem sanften Schaukeln gut zu gefallen scheint.
Am nächsten Tag kümmern wir uns ein bisschen ums Boot. Nach dem Schotbruch vor Skanör sind wir weiter mit der alten Schot gefahren, die jetzt ersetzt wird. Und wir riggen ein neues Fockfall, mit Dyneemakern, damit das Vorliek nicht immer schon gleich nach dem Setzen so durchhängt. Das alte Fockfall (das so alt gar nicht ist, ungefähr zwei Jahre) ersetzt die alte Dirk (die wirklich alt ist: mindestens zehn Jahre und wahrscheinlich deshalb schon ziemlich vermoost).
Ganz in der Nähe des Yachtklubs gibt es einen Yachtausrüster, SeaSea, Gäste des GKSS kriegen dort stattliche fünfzehn Prozent Rabatt. Weshalb wir sofort gleich auf Shoppingtour gehen und neben Schot und Fall endlich Kissen fürs Cockpit kaufen. Leider haben sie keine Ankerkette in unserer Größe. Weshalb wir die dann, ein wenig unbedacht, am nächsten Tag bei einem anderen Laden in der Stadt kaufen, und dann fünfundzwanzig Kilo Kette im Rucksack auf dem Fahrrad zum Boot transportieren. Geht ganz gut, und damit ist unsere Ankerausrüstung wirklich vollständig.
Am dritten Tag rückt unser Plan, von Göteborg aus quer übers Skagerrak die Nacht durch bis nach Kristiansand zu segeln, vom Hinterkopf wieder auf den Planungstisch. Ursprünglich wollten wir in Göteborg ein günstiges Wetterfenster abwarten und dann den Sprung zu machen. Leider macht uns das Sturmtief Lena einen Strich durch die Rechnung. Draußen überm Skagerrak bläst es mit bis zu acht Beaufort, meistens aus Südwest. Der norwegische Wetterdienst hat für das Seegebiet rund um die Südküste Norwegens, also auch für Kristiansand, eine Sturmwarnung herausgegeben. Und die Vorhersage ist leider ungünstig. Nach Lena wartet schon das nächste Tief bei den britischen Inseln, es soll uns in den nächsten Tagen starken Südwestwind bringen. Der direkte Kurs an Skagen vorbei bis Kristiansand wäre aber ein ziemlicher Westkurs. Am Wind segeln bei Starkwind auf offener See (signifikante Wellenhöhe Skagerrak in diesen Tagen: bis vier Meter) schaffen wir aber nicht. Deshalb haben wir uns entschieden, erstmal ein Stück die schwedische Westküste hochzusegeln und dann weiter die norwegische Südostküste bis Kristiansand. Was einerseits keine leichte Entscheidung war, weil wir unser ultimatives Ziel, eine Felsplattform über dem Lysefjord östlich von Stavanger, damit nicht mehr rechtzeitig erreichen werden. Kristiansand wird der Scheitelpunkt unserer Reise sein. Andererseits ist die Entscheidung aber auch nicht so schwer, weil die schwedische Westküste wunderschön sein soll. Die Norweger, die wir in Torekov getroffen haben, waren entsetzt, dass wir diese Küste überspringen wollen, und meinten, National Geographic hätte diese Küste zu Recht zur schönsten Küste der Welt gekürt. Na gut. Sind wir jetzt also an der schönsten Küste der Welt unterwegs (und in diesem Fall ist der Superlativ ganz okay).
Heute sind wir gegen Mittag von Göteborg gestartet, seit einigen Tagen also erstmals wieder unterwegs. Wir müssen uns erstmal sortieren. Kommen dann aber wieder in eine gewisse Routine rein. Wieder lotst L. uns zwischen den Steinen durch, die jetzt an manchen Stellen wirklich sehr nahe kommen. Spektakulär ist die Fahrt durch den Felskanal, der nach Marstrand führt. Hier sind zum Teil nur knapp zwanzig bis dreißig Meter Platz zwischen den Felsen. Wir segeln durch, was erstaunlich gut klappt, und hätten wir um die Enge der Durchfahrt gewusst, hätten wir die Segel vermutlich geborgen. Alle anderen sind unter Motor unterwegs. Es geht aber gut und mit Rückenwind auch entspannt, und die Idylle tut ihr übriges. Kleine Häuschen am Wegesrand, mit sauber gepflegtem Rasen (in Varberg machten das Roboter, hier vielleicht auch), und auf der anderen Seite die eiszeitliche Felslandschaft.
In Marstrand ist heftig was los. Der Hafenlotse schreibt, dass das der Hafen wäre, den man anlaufen soll, wenn man sich entschieden hätte, nur einen einzigen Hafen anzulaufen. Das Dorf, oder die kleine Stadt, verteilt sich über eine Anhöhe, unten ist der Hafen, in der Mitte thront ein großes Gebäude, das aussieht wie eine alte Festung. Vom Fahrwasser aus, das quasi durch den Hafen hindurch führt, haben wir einen guten Blick auf die Promenade. Wär schon schön, da jetzt auszusteigen und in ein Café zu gehen oder in irgendeiner Bar ein Bier zu trinken. Wir fahren trotzdem vorbei, haben genug Stadt gehabt in den letzten Tagen, und segeln einmal um die Insel auf die Nordseite, um dort in einer Bucht zu ankern.
Und dort liegen wir jetzt an einem Anker mit vierzig Metern Kette und acht Metern Seil. Sollte für die 35 Knoten Wind reichen, die für heute Nacht in Böen angekündigt sind.
Mit den Klamotten im wasserdichten Rucksack schwimmen wir bald nach der Ankunft an Land, um die Gegend zu erkunden. Wir hoffen auf einen begehbaren Weg nach Marstrand für einen Ausflug morgen, finden aber nichts. Ein Stückchen kämpfen wir uns durch die Büsche und durchs Heidekraut bis auf eine Anhöhe, von der aus sich der Blick über die Insellandschaft öffnet. Sieht schon irre aus, diese Menge an ex Gletscherfelsen. Segeln wir eben ein bisschen durch diese wilde Gegend.

Und Bilder.

Bilder extended version (for friends).

11. Aug. 2014

Sieben-Meilen-Wind, Stillstand und Stolperfahrt
Weil wir auf Hiddensee den kleinen Navberry Pi wieder gegen den bewährten Laptop getauscht haben, weil das Plus an Rechenpower beim Zoomen und Planen mehr Komfort bringt, geht Schreiben beim Segeln nicht. Weil wir aber zweitens seit Hiddensee sehr viel unterwegs waren und ich deshalb drittens während der zwei Hafentage in Varberg zu erschöpft (faul) war, um zu schreiben, gibts hier nur Rekapitulation.
Von Hiddensee aus starteten wir nach einem Tag und zwei Nächten in Klimphores Bucht (mit Spaziergang über die wilde Hälfte der Insel und Schwimmen im lauwarmen Boddenwasser, schwerer Gegenwindmission im kleinen motorlosen Schlauchboot) bei Westwind Stärke 4-5 richtung Norden. Beim Setzen des Großsegels im ersten Reff stellte sich raus, dass wir alle drei Reffleinen jeweils eine Stelle zu weit vorne am Baum befestigt hatten. Konnten wir schnell beheben. Hätte uns aber schon ein Zeichen sein können.
Durchs Boddenfahrwasser konnten wir segeln, wurden zwischendurch von einem entgegenkommenden Segler fast aus der Rinne gedrängt, und zwangen später selbst zwei andere zum Ausweichen, Boddensegeln eben. Um den Dornbusch blies der Wind etwas kräftiger und schralte (kam vorlicher ein), wir segelten hoch am Wind am Kap vorbei, und bald schon öffnete sich der Horizont der freien Ostsee. Das erste Mal seit mehreren Jahren, dass es von hier aus wieder quer rüber nach Schweden gehen sollte.
Kurz nach Queren des Schiffahrtswegs (wie immer drängten sich, als wir in die Nähe kamen, fünf große Pötte um uns herum, obwohl ansonsten die nächsten vierzig Meilen nach Ost und West kein Schiff zu sehen war) flaute der Wind ab, wir schüttelten die Reffs aus dem Großsegel, fuhren weiter und staunten über die Wellen, die Weite, die glitzernden Wellen, die sanften, dennoch weit ausladenden Bewegungen, wenn Aimé mit der Welle von schräg hinten einen kleinen ride machte. Mit etwas auffrischendem Wind segelt das Boot konstant sechs bis sieben Knoten. Im Westen ziehen in der Ferne die weiß leuchtenden Felsen von Möns Klint vorbei, und schon am frühen Nachmittag kommt die schwedische Küste in Sicht. Und während wir uns der Küste nähern, frischt der Wind nochmal auf. Aimé legt sich kräftig ins Zeug und rast mit Rumpfgeschwindigkeit die Wellen runter. Um Druck aus dem Rigg zu nehmen, wollen wir reffen. Gehen langsam an den Wind, lassen das Großsegel gefiert, ich hole das Vorsegel dicht. Wir haben immer noch die 35er Arbeitsfock gesetzt, die jetzt, bei diesem Wind, schon etwas zu groß ist. L. steht am Ruder. Mit Kraft winsche ich das Segel langsam dichter. Als der Wind ungefähr aus 90 Grad kommt, plötzlich ein Knall. Das Vorsegel flattert. Fockschot gerissen. Weil bei dem Wind an einen Wechsel der Schot mit gesetztem Segel nicht zu denken ist, bergen wir die Fock und drehen mit voll gesetztem Großsegel bei. Was erstaunlich gut geht. Wir packen die Arbeitsfock komplett weg und setzen die Starkwindfock. Aimé liegt stabil, auch wenn die Arbeit auf dem Bug in den Wellen wie auf einem schnell auf und ab federnden Aufzug ist. Dann reffen wir das Groß ins zweite Reff und fahren weiter. Selbst mit der verringerten Segelfläche geht es mit sechseinhalb Knoten weiter. Nur eben viel ruhiger.
Fest steht, unser Training vor einigen Wochen hat sich gelohnt. Unsere Manöver klappen gut, auch bei etwas unerwarteten Situationen. (Wobei ich das Reißen der Fockschot auch hätte vorhersehen (und vermeiden) können - die Schot war mehr als zehn Jahre alt und entsprechend schwach geworden.)
Um sechs Uhr passieren wir den Falsterbokanal und legen uns in der Bucht Höllviken vor Anker. Nach Schweden haben wirs schonmal geschafft.

Am nächsten Morgen stehen wir mit der Sonne auf und lichten gegen sieben Uhr den Anker. Der Wind hat etwas abgeflaut, und mit der großen Genua und voll gesetztem Groß machen wir gute Fahrt in Richtung Öresundbrücke, die wir um die Mittagszeit passieren. Schon von weitem ist dieses Ungetüm im Dunst zu sehen. Die Fahrt durch den südlichen Teil des Sunds ist eine Fahrt durch ein industrialisiertes Seegebiet. Eine riesige Brücke, Wahrzeichen nicht nur der technischen, auch der wirtschaftlichen und politischen Fähigkeiten der Menschen hier, ein solches Riesenbauwerk über diese breite Meerenge zu setzen. Vor der Brücke noch einer der ersten Offshorewindparks in der Ostsee. Allerdings drehen sich bei dem wenigen Wind nur wenige Flügel.
Um die Öresundbrücke herum flaut der Wind ab, sodass wir nur noch mit knapp drei Knoten vorankommen. Die Brücke schafft sich eigene lokale Windgegebenheiten. Aber bald nimmt der Wind wieder zu, wir segeln mit guter Fahrt an Malmö vorbei in den nördlichen Teil des Sunds. Vor vielen Jahren haben wir hier in Humlebaek gelegen und das dänische Museum für moderne Kunst, Louisiana, besucht, das direkt oberhalb des Hafens gelegen ist. Bis zu unserer jetzigen Passage war das der nordwestlichste Punkt (und lange Zeit auch der nördlichste), an den ich je mit dem Boot gekommen bin.
Mit auffrischendem Wind nimmt das Boot noch mehr Fahrt auf. Im Sund ist viel Verkehr, und erstmals leistet uns das neue AIS-System sehr gute Dienste, weil wir die Wege der großen Schiffe schon früh auf dem Plotter nachvollziehen (und vorhersagen können). Der Wind kommt inzwischen platt von hinten und wir segeln Schmetterling das Fahrwasser entlang. Nach Norden zu verengt sich der Sund, was bei südlichen Winden dazu führt, dass die Luft von den Landseiten zusammengepresst wird und deshalb desto schneller fließen muss, je näher man dem engen Ausgang aus dem Sund ins Kattegat kommt. Um weiter möglichst tief vor dem Wind segeln zu können, bergen wir das Großsegel komplett und segeln nur mit der großen Genua. Kurz vor der Enge zwischen Helsingborg und Helsingör frischt der Wind noch weiter auf, sodass wir die große Genau gegen die Arbeitsfock tauschen. Was vor dem Wind ohne Großsegel gar nicht so einfach ist. Man muss den richtigen Moment erwischen, wenn das Segel einfällt, und dann wenigstens die untere Hälfte an Deck ziehen. Der Rest kann dann nach vorne auswehen und Stück für Stück geborgen werden.
Bis wir die Arbeitsfock gesetzt haben, treiben wir vor Topp und Takel auf Helsingör zu. Eine andere Yacht, offensichtlich nicht so übertakelt wie Aimé, segelt mit Vollzeug neugierig an uns heran, ist aber offenbar beruhigt, als sie uns mit dem neuen Segel auf dem Vorschiff hantieren sehen. Später werden wir lernen, dass die Leute das Revier kennen und deshalb die Segel trotz des starken Winds stehen lassen.
Mit der 35er Fock segeln wir entspannter weiter. Vor Helsingör hat sich eine sehr steile, hohe Welle aufgebaut. Denn bei südlichen Winden setzt die Strömung im Sund, ein wenig kontraintuitiv, nicht nach Norden, sondern nach Süden. Am Ausgang des Sunds sind Strömung und Wind am stärksten und bauen diese Welle auf, die mich fast an Wildwasserfahrten erinnert, weil die Welle fast nicht gegen den Strom ankommt und deshalb eben so steil aufläuft und das Boot so ruppig durch die Meerenge schubst.
Unser Tagesziel ist Mölle. Aber als wir Mölle querab peilen und die Anfahrt starten sollten, will ich dort nicht mehr einlaufen. Bei Südwestwind - und der weht gerade kräftig - ist der Wind dort auflandig und ich will ungern an einer Luvküste landen. Und weil das Wetter sehr stabil ist und unser erstes großes Etappenziel Göteborg ist, überlegen wir, ob wir einfach die Nacht durchfahren bis Göteborg. Das führt zu einem unguten einerseits-andererseits. Denn einerseits wäre es toll, den guten Wind zu nutzen und am nächsten Tag schon da zu sein. Andererseits sind wir nach zwei langen Seetagen, die auch noch unsere ersten beiden Seetage waren, ziemlich erschöpft und brauchen eine Pause. Und einerseits weht der Wind gerade sehr stabil und das Wetter sieht auch nicht nach Verschlechterung aus, andererseits hat der Seewetterbericht des DWD für die Nacht etwas auffrischenden Wind und Gewitterböen vorhergesagt. Einerseits haben wir vor zwei Jahren eine Nachtfahrt gemacht, andererseits waren wir da schon zwei Wochen unterwegs und gut im Training, außerdem gut ausgeruht.
Die Entscheidung fällt von allein, weil wir mit sechs bis sieben Knoten an Mölle vorbeirauschen, bis der Hafen irgendwann direkt in Luv liegt. Und zurück kreuzen wollen wir nicht. Die Nacht durchsegeln wollen wir aber auch nicht. Die Karte bietet als nächsten Hafen Torekov an, ungefähr zehn Seemeilen nordwestlich. Den hatten wir auch schon früher am Tag als mögliches Tagesziel identifiziert, falls wir sehr früh schon in Mölle sein würden. Also drehen wir ums Kap und nehmen Kurs auf Torekov. Schon von weitem ist ein weißer Punkt an Land dort gut erkennbar, nach dem wir unseren Kurs gut halten können. Zwei Stunden segeln wir darauf zu, bis langsam Häuser, Hafen und Masten erkennbar werden. Der weiße Punkt ist ein hell weiß gemalter Kirchturm. Torekov also die richtige Entscheidung.
Torekov ist der erste schwedische Hafen, den wir ansteuern. Schön gelegen, Felsen vor der Einfahrt, eine Felseninsel nicht weit nördlich, mit einem Robbenschutzgebiet. Vielleicht kam da das Tier her, das uns unterwegs kurz besuchte und mit einem Schnaufen grüßte, um sofort wieder abzutauchen, ein Schatten im smaragdgrün gefärbten Wasser der Ostsee.
Die Einfahrt zum Gasthafen ist so eng, dass Aimé dort längs nicht reinpassen würde. Das Hafenbecken ist dicht mit Zweier- und Dreierpäckchen belegt. Wir fahren rückwärts rein, um im Zweifelsfall ohne Probleme wieder rausfahren zu können. Ohne Bugstrahlruder, knapp dreißig Metern Platz im Hafenbecken und etwas Seitenwind liefern wir beim Drehen gute Spannung fürs Hafenkino. Ein schwedisches Boot will uns nicht längsseits haben (Begründung: Hafenmeister hätte bestimmt was dagegen, weil es so eng ist und so nah an der Einfahrt - leider sind alle Plätze nah an der Einfahrt und überall machen wirs eng). Aber ein norwegisches Boot lässt uns längsseits anlegen. Vier sind dort an Bord, ein Pärchen und zwei Hunde. Auf dem Cockpittisch stehen zwei Dosen Tyskie und zwei Schnapsgläser mit einer klaren Flüssigkeit. Sie waren die letzten vier Wochen in Polen, erzählen sie, Kolobrzeg. Sie kommt von dort, und beide freuen sich, als wir erzählen, dass wir vor zwei Jahren auch dort waren.
Laut Hafenhandbuch bezahlt man in Torekov das Hafengeld am Automaten. Aber unser norwegischer Nachbar meint mit einem Augenzwinkern, dass der Automat kaputt sei. Deshalb wollen sie am nächsten Tag auch vor acht los, bevor der Hafenmeister zum kassieren kommt. Wir gehen trotzdem zum Hafenbüro, und tatsächlich muss der Automat kaputt sein: Der Bildschirm funktioniert, reagiert auch auf Touchscreeneingaben, aber irgendwie findet keine unserer Bankkarten ihren Weg in den Bezahlschlitz zum Auslesen. Uns bleibt deshalb nichts übrig, als am nächsten Morgen - zumal wir ja ganz außen im Päckchen liegen - um kurz nach sieben abzulegen und uns einfach innig für die Gastfreundschaft zu bedanken. Shout-outs to our norvegian pirate friends and their lovely dogs!
Von den letzten Tagen sind wir immer noch erschöpft und setzen uns mit Varberg ein Tagesziel von fünfzig Seemeilen. Dieser Tag ohne besondere Vorkommnisse, wir segeln mit gutem Wind bis kurz vor Varberg, wo der Wind abflaut; für die letzten fünf Meilen brauchen wir knapp zwei Stunden. Wetter hält uns dort zwei Tage fest: Gewitter, viel Regen und Wind aus Nordwest. Der Ort ist ein richtiger Badeort, und hätten die Schweden eine ähnliche Euphorie gekannt wie die Deutschen Ende des 19. Jahrhunderts, dann hieße Varberg Seebad Varberg. Anders als in deutschen Seebädern, die meistens mehr Behauptung und maximal verwerteter Traditionalismus sind, gibt es in Varberg aber tatsächlich mehrere echte Seebäder. Zum Einen natürlich die Bäder direkt an der See. Mit Saunen, in die Steine eingelassene Geländer zum leichteren Einstieg ins Meer, Nacktbädern für Männer und Frauen und solche Dinge. Und zum anderen ein Freibad, bei dem die Becken in die hier typischen Felsen eingelassen sind, mit 50-Meter-Bahnen, das sein Wasser aus dem Meer holt - wir schwimmen dort im Salzwasser, das nach Kattegat schmeckt.
Wir gehen dort an einem langen Regentag schwimmen. Bei Donner sollen wir aus dem Wasser gehen, meint die nette Frau am Eingang. Es donnert aber nicht. Und gegen Abend, als wir wieder beim Boot ankommen, klart der Himmel auf, dreht der Wind langsam auf West, am nächsten Tag können wir die Etappe zu unserem ersten Zwischenziel, Göteborg, beginnen.

und bilder.

Und ein bisschen privatere Bilder für Freunde.

09. Aug. 2014

GPX-Daten
Kleiner Versuch: Ich stelle hier mal unsere Reisedaten (GPS-Tracking) im GPX-Format zur Verfügung. Was zwar einerseits über mein sonst erträgliches Maß an Geolocating hinaus geht. Andererseits aber eine lustige Möglichkeit, zu zeigen, wo wir so langfahren und wo wir sind, wie schnell wir gesegelt sind und wie langsam usw. - was ihr aus den Daten eben herauslesen könnt!

Hiddensee - Falsterbo
Falsterbo - Torekov
Torekov - Varberg

GPX-Viewer gibt es verschiedene. Ich benutze zum Ansehen der Daten OpenCPN, ein vollständiges Navigationsprogramm (das wir auch zum Navigieren nutzen). Karten dafür muss man entweder kaufen oder aus den Daten von openseamap.org generieren (die sollte man aber nicht zum Navigieren nutzen, weil sie bisher noch sehr unvollständig sind!).

03. Aug. 2014

Gentlemen don't go to windward
Den Spruch Gentlemen don't go to windward hab ich irgendwann auf einem Reiseblog gelesen und fand ihn gleich blöd. Weil was macht man denn dann, wenn der Wind von vorne kommt (und stehenbleiben oder zurückfahren keine Option ist)?
Heute hab ich zumindest ein bisschen Einverständnis gelernt. Beim Motoren gegen den Wind. Segeln ging erstmal ganz gut, von Stralsund bei vier Beaufort am Vormittag gen Norden gekreuzt. Rügen und Hiddensee waren diesig zu erahnen, für die nächsten Tonnen war die Sicht aber okay. Gewitter waren heute für alle Gegenden Vorpommerns angekündigt, nur nicht für Stralsund und Hiddensee. Die Haufenwolken, die sich über der Insel bildeten, wuchsen sich nicht aus.
Kurz hinter der Abzweigung des Fahrwassers nach Barhöft wird auch das Strelasund-Fahrwasser schmal, sprich: Nur noch zwischen den Tonnen ist es tief genug für uns. Weil der Wind aber direkt von vorn kam, bargen wir die Segel und starteten den Motor. Mit banger Hoffnung, weil in den Tagen davor der Motorantrieb zwischendurch ein bisschen gesponnen hatte. Beim Gas geben zur zügigen Fahrt durch die Ziegelgrabenbrücke hatte der Auspuff eine ziemlich große Portion Dampf abgegeben, sodass wir eine weiße Wolke hinter uns her zogen. Und überhaupt war das Boot schon in Greifswald auch bei mehr Gas nur eher langsam unterwegs gewesen.
Im Strelasund bei vier Beaufort und etwa einem Knoten Strömung von vorn dampften wir mit den standardmäßigen 1800 Umdrehungen/Minute auf der Stelle. Nach einer halben Stunde Warmlaufen erhöhten wir auf 2400 Umdrehungen und machten damit ungefähr zweieinhalb Knoten Fahrt über Grund. Mit weißer Rauchfahne am Heck, sodass sich die Leute auf den entgegenkommenden Booten schon gegenseitig auf das Spektakel aufmerksam machten. Unangenehm. Zurückfahren wäre eine Möglichkeit gewesen. Wollten wir aber nicht. Nur bis Klimphores Bucht sollte es noch reichen (dort liegen wir jetzt), dann bekäme der Motor wieder frei. Bestätigt wurden wir durch die weiße Dampffahne am Heck eines entgegenkommenden Bootes. Theorie: Die hohe Luftfeuchtigkeit, die hier derzeit herrscht, führt dazu, dass der ganze Wasserdampf aus dem Auspuff sofort kondensiert und als Dampf sichtbar wird.
Nach dem Abbiegen aus dem Fahrwasser und bei der Fahrt quer zum Wind dann nochmal das Heckwasser gecheckt, und es sah merkwürdig aus. Der Wasserschwall ging nur nach Steuerbord raus, und nicht wie sonst einigermaßen symmetrisch nach achtern. Dass mit der Schraube was nicht stimmt, hatten wir uns schon vorher überlegt, die Theorie ging aber hin zu 'mit Seepocken bewachsen' (das obere Zehntel des Ruderblatts ist mit Seepocken bewachsen). Jedenfalls legte ich an der Stelle einmal kurz den Rückwärtsgang ein, dann wieder Vorwärts, und plötzlich gab die Schraube bei wenig Gas schon richtig Schub! Die letzten hundert Meter zum Ankerplatz dann also in lockerer Marschfahrt, wie üblich.
Aus diesem Tag also erstmal eine doppelte Lehre: Wenn Motorfahrt gegen den Wind nicht unbedingt nötig ist (Hafeneinfahrt, Bucht, letztes Stück zum Ankerplatz etc.), dann lieber bleiben lassen und auf den richtigen Wind warten. Auch wenn das Warten weh tut. Zweite Lehre: Der Motor ist besser, als man denkt, und wenn er nicht rund läuft und keinen Schub gibt, dann liegt das erstmal nicht an fehlender Kraft, sondern an fehlender Kraftübertragung. (Erinnerung, vor zwei oder drei Jahren: Auf dem Weg aus einer schwedischen Bucht raus auf die Ostsee bei fünf Beaufort und einem Meter Welle von vorne kam der Motor an seine Grenzen. So waren die Bedingungen heute aber nicht.)
Ansonsten sind wir einerseits guten Mutes hier an Bord. Das Wetter ist besser geworden (kein Gewitter mehr), und für Donnerstag bis Samstag sind westliche bzw. südliche Winde angekündigt, die uns in möglichst kurzer Zeit bis Göteborg schieben sollen. Und jedenfalls am Donnerstag erstmal für die Fahrt nach Schweden.
Ein Unglück (Motorprobleme) kommt selten allein, und so verließ uns heute auf der Fahrt irgendwann das Echolot. Zeigte nur noch eine Tiefe an: 0,9 Meter. Sprang zwischendurch wieder auf sinnvolle Werte, irgendwann dann aber fast gar nicht mehr. Ankermanöver dann mit Sicherheitsmarge nur mit dem Plotter gefahren. Ich vermute, dass das Glas vom Geber zugewachsen ist und dann bei schlechter Echoqualität nichts sinnvolles mehr berechnet werden kann. Leider sieht man im trüben Boddenwasser nicht mal die Hand am eigenen ausgestreckten Arm. Der Plan deshalb: Ein paar Schwämme an den Bootshaken binden und so gut es geht die Region um das Echolot wischen.
Und ums Maß voll zu machen: hängt sich immer dann, wenn wir den Motor starten, der wunderbare Navberry Pi auf. Was nervt, aber vermutlich nicht am Rechner selbst liegt (hoffentlich nicht). Einen anderen Umwandler habe ich noch dabei, der muss aber eingebaut werden. Die Bastelei hört also nicht auf.
Andererseits haben sich ein paar Dinge auch bewährt. Allem voran der Ladestromverteiler, der, weil wir in den letzten Tagen sehr viel motort sind, die Verbraucherbatterie voll geladen hält. Mit dem AIS-Empfänger sehen wir die großen Schiffe wunderbar auf dem Monitor. Und nicht nur das, wir sehen auch, wie groß sie sind, welchen Kurs sie fahren und ihre Geschwindigkeit, sodass Gefahrensituationen z.B. beim Queren von Verkehrstrennungsgebieten oder in schmalen Fahrwassern schon früh auf dem Bildschirm gesehen werden können. Außerdem ist es lustig, diese Daten ganz legal aus der Luft zu sammeln und zu sehen, wer sich da auf See so alles tummelt und wohin jeweils die Reise geht.
Auch das frisch gereinigte Großsegel macht gute Figur, das Profil ist zumindest teilweise wiederhergestellt, wobei ich von der Red-Gull-Reinigung, die eine wirklich komplette Wiederherstellung der Form in Werbetexten nahelegen, mehr erwartet hätte. Zumal der Palstek ein ziemliches Loblied auf die Methode und ihre Ergebnisse gesungen hatte. Dennoch: Das Tuch wirkt wieder stabiler, die Form ist merklich besser als vorher. Und mit dem neuen stabilen Baum, dem Anfang des Jahres gepimpten Reffsystem funktioniert die Arbeit mit dem Segel gut.

Insgesamt bin ich, vielleicht so wie jedes Mal, überrascht, wie wenig Routine ich doch habe, trotz der vielen tausend Meilen, die ich in meinem Leben schon gesegelt bin, auch mit diesem Schiff. Die Gewitterlage der letzten Tage hat mich ziemlich fertig gemacht, die Rückschläge mit dem Motor, dem Echolot und dem Navigationscomputer kamen noch dazu. Und dann das Segeln: Es kostet einfach unglaublich viel Energie, körperlich und kognitiv, so ein Boot in Bewegung zu halten, zumal mit kleiner Crew, in unserem Fall also nur zu zweit.
Deshalb ist es mir auch ganz recht, dass wir morgen hier vor Anker in Klimphores Bucht noch einen Ruhetag einlegen. Es geht auch gar nicht anders, weil der Wind erst Mittwoch am späten Nachmittag langsam auf Nordwest bis Westnordwest drehen soll. Rein rechnerisch (mit konservativen Geschwindigkeitsannahmen: 4 Knoten) wären wir dann, mit einer wenigstens zehnstündigen Kreuz und weiteren acht Stunden hoch am Wind, achtzehn Stunden unterwegs. Und das wollen wir uns nicht gleich am ersten richtigen Seetag geben. Ab Donnerstag sind für uns günstige Winde angekündigt, der Wind soll über West, Süd auf Südost am Freitag drehen. Damit kommen wir wohl zumindest erstmal bis Schweden (Destination!).

29. Jul. 2014

't is our destination, not our destiny
Gestern haben wirs geschafft und sind - gestartet. Ziemlich hektisch, obwohl Zeit war, und doch nicht schnell genug, sodass die Brücke wieder unten war, als wir dort ankamen. Die Reise beginn also schon gleich mit einem Zwischenstopp. Immerhin vor dem Eisladen, und zum Runterkommen ist es auch gut. Um elf passieren wir die Brücke, fahren raus, setzen an der zweiten Fahrwassertonne die Segel. Das Wetter ist heiß, fast schwül, der Wind ausreichend zum Segeln unter Vollzeug. Nach kurzer Kreuz gegen den Nordost biegen wir ab in Richtung Strelasund, haben den Wind jetzt von schräg hinten und machen gute Fahrt.
Über dem Festland ballen sich bereits die Wolken auf. Die ganzen letzten Tage ist es schon gewittrig, und irgendwann am Nachmittag entwickeln sich überall die Superzellen mit Blitz, Donner, Starkregen. Ausläufer haben wir noch in Greifswald am Vortag mitgekriegt. Deshalb rechnen wir mit dem Schlimmsten, unser Exit-Plan ab Einfahrt in den Strelasund sieht vor: Ankern am Wegesrand, bis die Sache vorbei ist.
Es dauert nicht lang, bis wir ihn brauchen. Mit den ersten Nachmittagsstunden ist es immer heißer und auch feuchter geworden. Eine breite Säule hat sich nördlich von uns über Rügen aufgebaut, über dem Festland nehmen nach und nach die Gewitterwolken ihre typischen Gestalten an. Und während die Säule über Rügen vom Wind wieder zerschoben und abgebaut wird, verdunkelt sich vor uns langsam der Horizont. Obwohl wir mit dem Wind segeln, vertieft sich die Gewitterwolke vor uns immer mehr und wandert zügig auf uns zu. Blitze zucken über Stralsund und über dem Festland südlich von uns, Donner rollt über den Sund. Wir beschließen, uns die Gewitterdurchfahrt zu ersparen und suchen Schutz im Glewitzer Wiek. Noch während wir die Segel bergen, schiebt sich langsam der äußere Wolkenrand der Zelle über den Himmel und verdunkelt uns die Sonne. Die Einfahrt zieht sich hin und wir tuckern am idyllischen Vogelschutzgebiet vorbei, die Böenwalze nähert sich langsam. Während des Ankermanövers dreht der Wind plötzlich um 180 Grad und frischt heftig auf, Regen fällt in dicken Tropfen, die unten ausgezackte Wolke schiebt sich über uns. Der Winddruck gräbt den Anker tief in den Schlick, donnernd bersten die Wolken über uns, wir verziehen uns unter Deck.
Später am Abend kühlt die Luft ab, wird die Atmosphäre wieder ruhiger. wir nutzen die Ruhe, um kurz schwimmen zu gehen und die Sonnencremereste von der Haut zu waschen.
Am nächsten Morgen stehen wir um halb fünf auf, um in Stralsund die Brücke um zwanzig nach acht zu erreichen und dann vor den nächsten Gewittern bis Hiddensee zu kommen. Um festzustellen, dass der schmale Ausgang der Bucht und die Fahrwassermarkierungen in einer Nebelbank versteckt liegen, sodass wir nicht auslaufen können. Also gehe ich wieder schlafen, während L. ein Morgenbad nimmt. Wir starten schließlich gegen halb zehn, um drei Stunden später hier in Stralsund anzulegen. Der Wind weht sehr schwach aus Nord, und genau da wollen wir hin. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das Wetter uns hier gerade ziemlich festhält. Erst für Mittwoch abend ist die ersehnte Westwetterlage angekündigt, die uns dann straight nach Norden bringen kann. Wir haben ein Ziel, ob wir es in unsere Modus erreichen können, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

28. Jul. 2014

VHF hard reset
Vor einigen Jahren, noch während ich mit dem Ausbau von Aimé beschäftigt war, hat mir mein Onkel sein altes UKW-Funkgerät geschenkt. Damals war das sogar noch ein einigermaßen aktuelles Modell. Er hatte Empfangsprobleme und tauschte das Gerät gegen ein neues aus; ich dachte, das funktioniert doch noch, testete die Grundfunktionen und baute es ein. Erst später, als das Boot schon im Wasser lag und wir erste Touren machten, beantragte ich die Frequenzzuteilung von der Bundesnetzagentur. Jede Seefunkstelle, das heißt auch jede Yacht mit einem Funkgerät an Bord, braucht eine Genehmigung zum Funken und ein Rufzeichen, evtl. eine MMSI, beides wird von der Bundesnetzagentur vergeben. Als die Frequenzzuteilung kam, war die Freude groß. Das Funkgerät ist DSC-tauglich, ermöglicht also die Teilnahme am digitalen Funkverkehr (automatische Meldungen, insbes. auch Distress-Meldungen). Dafür braucht man die MMSI, die einfach eine lange Nummer ist. Diese Nummer wird im Funkgerät gespeichert und beim Funken mitgeschickt.
Da nun das Funkgerät vorher auf einem anderen Schiff war, war auch noch die alte MMSI gespeichert. Aus verschiedenen Gründen ist es in der Funkgeräteindustrie Standard, dass die MMSI nur ein einziges Mal eingegeben werden kann und dann für immer gespeichert ist. Um die Nummer zu ändern, muss das Gerät zum Händler. Neben dem Argument, dass diese harte Codierung der MMSI einem versehentlichen Ändern vorbeugt, habe ich in einigen Diskussionen zum Thema noch gelesen, dass damit dem Diebstahl von Funkgeräten begegnet wird, weil die Herkunft eines hartcodierten Geräts zurückverfolgt werden kann.
Beide Argumente finde ich nicht stichhaltig. Aus Versehen gebe ich die MMSI nicht neu ein, und hier können softwareseitig genügend Hürden eingebaut werden, damit z.B. jemand, der sich mit dem Gerät nicht auskennt, aber auch ich selbst daran gehindert werden, mal eben so die MMSI neu einzugeben. Das Diebstahlargument ist schwach, weil kein grab-and-run-Dieb ein festverbautes Funkgerät mal eben so ausbaut. Und organisierte Kriminalität hat mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Zugriff auf die Tools, die auch die Händler und Hersteller zur Neuprogrammierung nutzen.
Ein drittes Argument ist, dass durch die Hartcodierung dem Missbrauch von MMSI vorgebeugt wird. Schließlich könnte sich, wenn die MMSI leicht neu eingegeben werden könnte, jemand den Spaß erlauben und mit meiner MMSI einen Notruf absetzen, der die Rettungskette in Gang setzt und damit möglicherweise teure Kosten verursacht. Dem wäre entgegenzuhalten, dass Leute ja trotz fest einprogrammierter MMSI ihre hartcodierten Funkgeräte verkaufen. Und das würde Missbrauch genauso ermöglichen. Bisher habe ich allerdings noch keine Berichte über missbräuchliche Verwendung einer fremden MMSI gefunden.
Das Argument funktioniert hier vielleicht sogar anders herum besser. Denn: Angenommen der Fall, ich kaufe eine gebrauchte Funke und stelle dann erst fest, dass ich meine MMSI nicht mehr eingeben kann, weil schon eine gespeichert ist. Dann wäre es für so Manchen naheliegend, die Nummer einfach im Gerät zu lassen, mit dem Argument 'Das brauche ich doch sowieso nicht, den Quatsch.' (sinngemäß so in einem Forum gelesen).

Wie dem auch immer sei, ich wollte mein Gerät - ein Simrad RD68 - nicht ausbauen und zum Händler geben und machte mich im Netz auf die Suche nach Lösungen. Bald stellte sich raus, dass man für die Neuprogrammierung ein Computerprogramm braucht, das nicht einfach zu haben ist (und das nur unter Windows funktioniert). Bei anderen Geräten (z.B. Navman 7100) reicht es, irgenwo im Bedienmenü einen geheimen Code einzugeben, um die MMSI zu entsperren (der geheime Code fürs Navman zirkuliert inzwischen auch im Netz). Leider nicht beim RD68. Irgendwann tauchte in einem Forum aber die Möglichkeit für einen hard reset auf. Irgendjemand schickte mir auf Anfrage die Anleitung, was sehr nett war. Und mit einem Ausflug in die Tiefen der elektronischen Schaltung und detektivischer Sucharbeit auf der Platine des Bedienteils fand ich die beiden Punkte, die über eine Lötbrücke miteinander verbunden werden sollten. Was, abgesehen von einem Moment, in dem ich dachte, jetzt ist das Ding kaputt, weil das Bedienteil den Kontakt zum Gerät nicht mehr kriegte und das Display einfach tot blieb, ganz okay zu machen war. Auch wenn eine Lupe und eine sehr feine Lötspitze bei dieser Arbeit von Vorteil gewesen wäre.
Nach dem Setzen der Lötbrücke war jedenfalls die MMSI entsperrt, und jetzt ist Aimé endlich auch unter der eigenen Nummer erreichbar bzw. sichtbar! An dieser Stelle deshalb shout-outs zum Erfinder von tv-b-gone und den Leuten vom IN-Berlin, wo ich bei einem Workshop das Löten und die rudimentäre Lektüre von Schaltkreisen gelernt habe.

27. Jul. 2014

Auch Baustellen können segeln
Seit dem letzten Jahr ist eine wichtige Sache passiert: Ich habe mich damit abgefunden, dass ein eigenes Boot immer Baustelle bleibt. Immer. Und nicht nur eine Baustelle, sondern eigentlich besser: viele Baustellen. Für die Vorbereitung einer Reise geht es deshalb nicht nur darum, die wichtigen Baustellen zu identifizieren und abzuschließen, sondern auch darum, die weniger wichtigen Baustellen eben sein zu lassen und zu fahren. Sonst passiert es, dass man überhaupt nicht ablegt. Das ist mir und uns im letzten Sommer so passiert. Und war nachhaltig frustrierend. Außerdem: Wenn das Boot nicht segelt, welchen Sinn haben dann noch die Baustellen?
Dieses Jahr habe ich versucht, die notwendigen Dinge zu erkennen und abzuarbeiten. Ist mir bisher auch gelungen. Neuer Großbaum ist angebaut, damit auch eine neues und besseres Reffsystem (schon im Frühjahr geschafft), die Elektrik ist so ergänzt, dass wir unabhängig von Landstrom eine ganze Weile unterwegs sein können (Umrüstung aller Positionslichter auf LED, Umrüstung des Navigationsrechners auf den Navberry Pi, Einbau des Ladestromverteilers, sodass die Verbraucherbatterie jetzt auch mit dem Dieselmotor geladen wird), das robuste Großsegel ist gesäubert und geprüft (vom Segelmacher). Die Musts für einigermaßen unabhängiges Segeln sind also da. Es fehlen ein paar Shoulds, allem voran ein Autopilot oder die Windfahnensteuerung. Aber auch das ist verzichtbar, wir steuern eben von Hand. Hauptsache, es geht bald los.

Der Navberry Pi hat jetzt die Hafenprobe überstanden. Das Navigationsprogramm läuft gut, die Bildschirmauflösung ist optimiert, und auch die AIS-Anbindung funktioniert. Mit der zusätzlichen Elektronik (AIS-Modem, aktive Antennenweiche, GPS) braucht der Rechner insgesamt 6 Watt. Meine erste Rechnung war also deutlich zu optimistisch. Dennoch ist das insgesamt mindestens zwölf Watt weniger als mit dem Laptop, also in 24 Stunden eine Ersparnis von 24 Ampèrestunden (und ein Gesamtverbrauch von 12 Ampèrestunden). Der Rechner lief die gesamte Nacht durch, ohne Probleme. AIS-Tracking-Update funktionierte. Überhaupt ist die AIS-Anbindung sehr gut. Gestern abend, bei sehr klarem Wetter, zeigte sich auf dem Display ein Schiff, das in Rönne/Bornholm im Hafen lag - mehr als 80 Seemeilen Luftlinie entfernt.

23. Jul. 2014

navberry pi pt. 2
Nachdem ich es nicht geschafft habe, rechtzeitig vor unserer Sommerreise den Windgenerator zu montieren, kann jetzt immerhin der stromsparendste Kartenplotter ever an Bord montiert werden. Mit einer von Sean de Pagnier getweakten Version von Opencpn schafft Opencpn auf dem Raspberry Pi Model B auch Vektorkarten (was mit der Hauptversion des Programms den Rechner wegen der intensiven Nutzung des Arbeitspeichers nach kurzer Zeit zum Absturz bringt). Zum Stromvergleich: Mein Laptop, der sonst als Bord- und Navigationsrechner fungierte (mit externem Bildschirm) zieht bei 12 Volt 2 Ampère, also ca. 25 Watt. Der Raspberry Pi verbraucht je nach Nutzung 2,2 bis 2,6 Watt, also ungefähr ein Zehntel der Energie, die ein Standardlaptop zieht! Rechnet man das auf eine durchschnittliche Tagesreise von zehn Stunden, braucht der Laptop 250 Watt oder ca. 20 Ah, der Raspi nur 25 Watt oder ca. 2 Ah. Je länger man unterwegs ist, desto mehr fällt das ins Gewicht, wenn wir über Nacht fahren und die beiden Tage nutzen, sind wir etwa 35 Stunden unterwegs, dann zieht der Laptop 70 Ah, das sind 70 Prozent unserer verfügbaren Batteriekapazität (die Batterie hat 200 Ah). Der Raspi zieht in derselben Zeit nur 7 Ah. Und wir erhöhen unsere Reichweite mit dem Austausch von nur einem Teil mal so eben um mehrere Tage Energieunabhängigkeit.
Nachts ziehen natürlich auch die Positionslichter oder das Ankerlicht. Deshalb hab ich LED-Lichter montiert, die brauchen ungefähr soviel wie der Raspberry Pi. Das Topplicht (Ankerlicht) mit 1 Watt sogar deutlich weniger.
Ich bin trotzdem gespannt, ob die Rechnung aufgeht und ob der Navberry Pi die Reisestrapazen gut überstehen wird. Er ist eigentlich sehr robust gebaut (keine beweglichen Teile, passive Kühlung funktioniert bis 70 Grad Celsius usw.).
Der Test an Bord steht noch aus, also Anschluss der GPS-Maus und Anschluss des AIS-Empfängers. Beides läuft auf dem Laptop, im Zweifel ist dieser Rechner also als Fallback mit dabei.

17. Jul. 2014

vorbereitung
Es ist fast schlimm, nach so vielen Jahren ständig wieder diese Überschrift zu setzen. Vorbereitung, immer wieder Vorbereitung. Und die Zeit und die Kraft, die in die Vorbereitung von Reisen fließen, und vor allem in die Vorbereitung des Schiffs für überhaupt Reisen, steht echt in keinem Verhältnis mehr zum Unterwegssein. Aber egal. Anders ist es jetzt nicht mehr zu machen. Deshalb also: Vorbereitung.
Und dieses Mal ist es überschaubar geblieben. Großprojekte wie Windfahnensteuerung anbauen, Geräteträger besorgen und mit Windgenerator anbauen sind irgendwann, als klar war, dass die Zeit dafür nicht reichen würde, wieder von der Liste Must auf die Liste should verschoben worden. Sollte gemacht werden, weil es das Reisen deutlich komfortabler macht, ist aber nicht zwingend, um jetzt Ende Juli endlich wieder loszufahren, nachdem letztes Jahr Pause war, weil sich die Vorbereitung (sic) in die Fahrtzeit reinzog und kein Ende nahm.
Deshalb dieses Mal hoffentlich besseres Timing. Lernerfolg aus dem letzten Jahr jedenfalls: Jetzt, so kurz bevor's losgeht, kein Großprojekt mehr anfangen. Statt Windgenerator hab ich heute endlich den Ladestromverteiler eingebaut, sodass die Verbraucherbatterie jetzt auch Strom vom Motor kriegt. Mit 17 Ampère ist die Lichtmaschine zwar sehr schwach, aber wenn die anderen Ergänzungen erledigt sind, dann sollte das trotzdem reichen, wenn der Motor am Tag eine halbe bis eine Stunde läuft. Der größte Stromverbrauche ist bisher der Navigationsrechner, aber der wird noch gegen einen sehr stromsparenden Minirechner (Cubox-i2) getauscht. Hol ich am Donnerstag beim Zoll ab. Zweitgrößter Stromverbraucher (bei Nachtfahrt) sind die Positionsleuchten. Die werden, das Achterlicht ist gerade in Arbeit, gegen LED-Lichter getauscht. Und damit der Strom um das Zehnfache reduziert. Und wenn das fertig ist, verbraucht keins von den Geräten, die permanent in Betrieb sein müssen, mehr als 5 Watt max (5 Watt braucht der Bildschirm für die elektronische Navigation, und genau genommen ist der nur an, wenn navigiert wird, also auch nicht ständig. Alle anderen Geräte verbrauchen weniger als 2 Watt).
Neben dem Einbau des Ladestromverteilers heute auch schön: Die Antennenweiche angeschlossen und das AIS-Modem ausprobiert. Funktioniert prima. Unter Linux müssen nichtmal Treiber installiert werden, das Gerät erscheint als serieller Port und wird von OpenCPN im Auswahlmenü für die Verbindungen angezeigt. Noch die richtige Baudrate eingestellt, und nach und nach erschienen selbst hier, knapp drei Meilen im Landesinneren, noch ein paar Schiffe auf dem Display. Einige sind Nachbarn hier, andere sind zehn Meilen weg. Die weiteste Distanz war ein Seezeichen in knapp 15 Seemeilen Entfernung. Das ist von der Reichweite her erstmal erträglich, auch wenns besser sein könnte. Und die Weiche hat auch den Empfang des Funkgeräts verbessert. Jetzt kommen Funkstimmen nicht mehr so verrauscht (und es kommen überhaupt Stimmen rein). Der Empfang könnte aber noch besser sein, und ob das jetzt an der Antennen liegt oder am Gerät, muss sich noch zeigen.
Die Vorbereitung ist also im Gang, und irgendwie bin ich zuversichtlich, dass das dieses Jahr besser hinhaut und wir in zwei Wochen wirklich für eine Weile rausfahren können.

07. Jul. 2014

Rettungswesten
(Monatelang nichts geschrieben, ohne Grund, deshalb geht es jetzt hier einfach so weiter.)
In drei Wochen geht es los, große Sommerreise, und dieses Wochenende ist Zeit für Vorbereitungen: Segel vom Segelmacher holen, Anker wechseln, Equipment prüfen. Dabei wird klar, dass die automatischen Rettungswesten, die wir an Bord haben, ihre Wartungsintervalle längst überschritten haben. Letzte Wartung wäre fällig gewesen, ich trau's mich fast nicht zu schreiben: 2002. Die absolute Lebensdauer von Rettungswesten ist natürlich begrenzt (so wie die absolute Lebensdauern von jedem Ding und jedem Wesen in diesem Universum, und wahrscheinlich sogar des Universums selbst). Aber wie lange kann man eine automatische Rettungsweste nutzen?
Der Fachverband Seenotrettungsmittel e.V. (FSR), ein Zusammenschluss mehrerer Hersteller von Sicherheitsausrüstung, empfiehlt erstens, Rettungswesten - eine regelmäßige Wartung (alle zwei Jahre) vorausgesetzt - nicht länger als zehn Jahre zu nutzen, und zweitens, die Westen nach Ablauf der zehn Jahre regelmäßig beim Hersteller selbst warten zu lassen. Als absolute Obergrenze nennt der FSR 14 Jahre. Eine Zusammenfassung dieser Punkte findet sich auf den Seiten von Secumar.
Für uns heißt das, dass wir unsere Westen eigentlich außer Dienst stellen müssten. Die Westen sind Baujahr 2000, sind jetzt also in ihrem theoretisch letzten Lebensjahr. Sie wurden allerdings nie von einem Fachbetrieb gewartet und erfüllen damit die Kriterien des FSR überhaupt nicht mehr und können nach diesen Kriterien auch nicht mehr vom Fachbetrieb gewartet werden. Das ist schade, weil die Westen die meiste Zeit im Schrank hingen. Deshalb hab ich mich entschieden, die Westen jetzt selbst zu prüfen. Auslösen, 24 Stunden aufgeblasen lassen, um Dichtigkeit zu testen, CO2-Patrone austauschen, Automatiktablette austauschen, manuelle Mechanismen prüfen, Luft rauslassen, wieder einpacken. Und wie das mit dem Einpacken geht, steht glücklicherweise auf den Seiten des Herstellers Kadematic.

04. Jul. 2014

Ein Winter mit Dieselheizung (Wallas 40Dt)
Eingebaut ist die Heizung seit Oktober. Nachdem die Abgasleitung dann auch dicht war - Beim ersten Einschalten erstmal Dieseldamp im Salon - lief die Heizung über Probleme, insgesamt vielleicht ein Dutzend Mal, wenn ich zwischendurch an Bord übernachtet hab. Weil auch nach der Abdichtung der Abgasleitung ein bisschen Dieselduft in der Luft ist, wenn die Heizung läuft, lasse ich sie nachts nicht durchlaufen. Hier fehlt noch ein CO-Melder und das nochmalige Prüfen der Abgasschlauchverbindungen.
Hier jedenfalls mal ein erstes Fazit:

1. Gerät und Komponenten, Einbau

Der Einbau war einigermaßen problemlos, abgesehen von der Abgasführung. Weil Aimé ein Mittelcockpit hat, sitzt die Heizung vergleichsweise weit vorne. Dazu ist der Abgasschlauch zu dick, um an der Decke entlang geführt zu werden. Der Umweg unter den Bodenbrettern der Achterkabine entlang ist konstruktionsbedingt schlecht, weil der Auspuff am Gerät oben ist, und mit den Umwegen waren die vier Meter, die laut Handbuch für die Abgasführung zugelassen sind, eben auch ausgeschöpft.
Merkwürdig finde ich, dass der Abgasschlauch, der angeblich von Wallas stammt, nur einfach ist, nicht doppelwandig. Das hatte ich irgendwie erwartet, weil Wallas auch sonst die Qualität so hoch hängt (und das ja dann auch sein gutes Geld kostet).
Hier zeigt sich, dass Wallas zwar auf die Marke großen Wert legt, aber nicht an allen Stellen mit der behaupteten hohen Qualität überzeugt.
Die Heißluftauslässe hab ich aus diesem Grund anderweitig besorgt, den Heißluftschlauch (außen Pappe, innen Aluminiumbeschichtet) wieder von Wallas.

2. Nutzung

Der Bedienkomfort der Heizung ist, wie erhofft, sehr hoch: Einschalten, läuft, nach ein paar Minuten kommt warme Luft aus den Auslässen. Das Ansaugen der Luft von Draußen ist auch gut.
Was sich nicht erfüllt hat, ist die Behauptung von Wallas, die Heizung sei so leise wie eine gepflegte Unterhaltung. Wenn dieser Vergleich funktionieren soll, dann reden da ziemlich viele Menschen gepflegt durcheinander. Der Geräuschpegel ist leider ziemlich hoch und entspricht definitiv nicht den Erwartungen, die diese Werbeaussage bei mir geweckt hat.

Fazit

Einige Argumente, die mich nach dem zum Kauf der Wallas bewogen haben, sind nach wie vor gültig: Bedienkomfort, geringer Dieselverbrauch, regelbare Frischluftzufuhr von draußen, Einbau im Motorraum. Aber der laute Geräuschpegel hat ein starkes Gewicht auf der Negativseite, sodass ich mich, wenn ich diese Entscheidung nochmal treffen müsste (oder könnte), wohl für einen Refleks-Dieselofen entscheiden würde.

27. Feb. 2014

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