Ozeansegeln. Reiseaufzeichnungen

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seit zwei tagen im hafen. beim testen der geräte geht eines nach dem anderen kaputt. die rettungswesten haben ihr wartungsdatum erreicht: 12/08, auch wenn der eigner versichert, er habe sie warten lassen und die spanier hätten keine marke drauf geklebt. die spanier. ha! dass ich nicht lache. diese spanier sind der beste weg, um das geld für die wartung zu sparen. auch einige der notraketen haben ihr haltbarkeitsdatum längst überschritten. im notfall muss ich also aufpassen, welche rakete ich aus dem plastikkanister nehme in stockdunkler nacht bei stürmischem wind und seegang. für das gesamte archipel gibt es drei seekarten an bord. eine für die westlichen inseln, eine für die östliche inseln, und eine karte mit sieben ansteuerungsplänen für häfen der großschiffahrt. prima. dazu ein deutsches handbuch von 1989. die einzig brauchbaren detailpläne liefert das englische handbuch von 2004, mit beschreibungen der hafenansteuerungen. beim versuch, den motor zu starten, zerspringt der starterknopf einfach und verschwindet hinter der wand. ich folge ihm auf umwegen, ins innerste des bootes, wo das nackte gfk mir den rücken aufscheuert, während ich mich in den unzugänglichen raum hinter der koje zwänge. immerhin lässt sich der motor kurzschließen. wir können also losfahren. haha. für morgen hat man mir einen neuen schalter versprochen. aber ist darauf verlass? die hiesige bevölkerung zeigt sich stets offenherzig, aber das konzept einer verabredung und einer zusage ist ihnen fremd. sie kennen es einfach nicht. unser mitreisende gelehrte sagt, dass das an der abgeschiedenheit der inseln liegt. dabei spricht man hier in tausend und einer zunge, ein gemisch aller westeuropäischen dialekte. der flug der vögel in der dämmerung kündigt für nächste woche stürmische winde an. unruhig liegt das schiff an der hafenmole, als würde es schon ahnen, welche gefahren und abenteuer es wird bestehen müssen. ich habe die mannschaft dazu aufgefordert, mit mir in der kirche von santa cruz dem abendmahl beizuwohnen. fast alle sind gekommen. übermorgen, am heiligen sonntag, stechen wir in see. möge gott uns beistehen. puerto de mogàn, den 19. Dezember 2008, CM, Captain of the Sirius.

20. Dec. 2008

Tabarly
Eben im kino gewesen, matinée, das gibt es hier in frankreich häufig. die blauen wellen der ozeane morgens um zehn, während draußen der nebel den hügel von montmartre einhüllt. ein schöner ausflug. der film erzählt die geschichte von eric tabarly, einer der großen französischen segler der nachkriegszeit und nationalheld. eine schöne dokumentation, mit archivbildern, nur sehr wenige sequenzen nachgestellt - die kindheit und ein zusammenstoß mit einem frachter auf hoher see -, dazu entweder originalton oder die stimme von tabarly, auszüge aus einem langen radiointerview. keine erzählerstimme aus dem off. gefällt mir.
dieser tabarly erscheint als willensstarker mann, der wenig worte macht. einer der erfolgreichsten regattasegler aller zeiten, gewann fast alle wichtigen hochseeregatten, war der trendsetter für neue technik, sei es die entwicklung der trimarane zu den rennmaschinen, die sie heute sind, sie es die entwicklung der flachen, breiten rumpfform der monos, die heute einhand um die welt rasen, um rekorde zu brechen. im film wird das angenehm entspannt dargestellt. der mensch wirkt sehr ruhig, ganz auf das segeln bezogen. dabei geht es immer um schnelles segeln. zwischendurch gibt es auch andere bilder von geschwindigkeit, tabarly auf dem rennrad, tabarly beim tiefschneefahren, tabarly als pilot. und eine aussage ist mir im gedächtnis geblieben, da sagt er sinngemäß: "es geht mir nicht um das meer, sondern um das boot. klar, ohne meer gäbe es kein boot, aber was mich interessiert ist auf jeden fall das boot."
dabei macht er im film nicht den eindruck eines technikfreaks, sondern wirkt vor den kameras meist ruhig, fast schüchtern. was aber sicher auch an den jeweiligen situationen liegt, häufig sind es empfänge am ende einer langen hochseeregatta, und das ankommen in der meute von reportern und schaulustigen nach zehn tagen auf see ist sicher eine besondere situation in der nicht soviel zu sagen ist.
ansonsten tauchen im film auch die elemente auf, die für den nationalhelden wichtig sind. tabarly war zeit seines lebens offizier der französischen marine. seine segelerfolge feierte er als beurlaubter soldat, wobei er die ganze zeit bezahlt wurde. als junger mann machte er seinen dienst bei der marine. in den fünfziger jahren ging er als pilot nach vietnam und war dort ein jahr lang stationiert. mehr wird darüber nicht gesagt, kriegshandlungen werden nicht erwähnt. als primäre motivation erscheint das geld: doppelter sold und drei monate urlaub im jahr, in denen er sein erstes eigenes boot baute, die pen duick II, aus polyester. mit diesem boot feierte er auch seine ersten erfolge im hochseesegeln. das brachte ihm soviel geld, dass er ein neues schiff bauen lassen konnte, die pen duick III. seine gesammelten erfahrungen und seine regattaambitionen flossen in die konstruktion ein, die pen duick III wurde ein absolutes gewinnerschiff. mehrere jahre hintereinander gewann tabarly mit crew und einhand alle wichtigen hochseeregatten der welt, das fastnet-race, sydney-hobart usw. das war damals eine sensation, weil bis dahin kein franzose bei diesen regatten vorne mitgemischt hatte. tabarly brachte das, neben sponsorengeldern, die ernennung zum 'chevalier de la légion d'honneur', was eine sehr hohe militärische auszeichnung ist. im film sieht man die zeremonie, in der tabarly vom general de gaulle höchstpersönlich die medaille empfängt.
tabarly ist deshalb als figur nicht nur ein leuchtendes individuum, sondern vereint auch alle wichtigen elemente, die dem nationalstolz wichtig sind: internationale erfolge für frankreich, mitglied der glorreichen armee, gut aussehender, durchtrainierter mann, der mit weiteren gut aussehenden, durchtrainierten männern auf einem schönen, technisch perfekten boot als schnellster den atlantik, den pazifik, die nordsee überquert.
und in der zweiten lebenshälfte gibt es dann eine familie, mit einer schönen frau, einer tochter; zusammen leben sie auf einem wunderbaren alten bauernhof in der bretagne, hundert meter vom fluß entfernt, der wenige kilometer weiter ins meer fließt, und wo, an einer boje, das segelboot liegt. irre.
nach dem film gab es noch ein kurzes gespräch. das publikum bestand zum größten teil aus älteren damen, zwei von ihnen hatten auch ihre männer mitgebracht. die damen waren voller bewunderung für diesen mann. hinter mir tuschelten sie direkt nach dem film, wie schön er doch gewesen sei als junger bursche. dann wurden die ausdauer, die kraft und die schönheit seines körpers bewundert, seine willensstärke, seine leidenschaft für das segeln. ich fragte irgendwann, warum er denn nach indochina gegangen sei, nach vietnam, wo er nicht hatte segeln können. und die antwort war: wegen der kohle. dass durch die abwesenheit von kritik der krieg selbst klammheimlich gerechtfertigt wird, wollte ich dann nicht mehr laut sagen. der mann ist aus dem kolonialkrieg jedenfalls unbeschadet hervorgegangen. wie die meisten soldaten. und er ist eben auch wegen der militärischen ehren und der stellung als offizier der marine ein nationalheld.
zwischendurch gab es ganz kurz bilder von bernard moitessier. tabarly hatte eine regatta gewonnen und bekam telefonisch, während eines radiointerviews, die nachricht, dass bernard moitessier die nonstop-regatta um die welt abgebrochen habe und anstatt ins ziel, nach plymouth, vom kap hoorn aus ein zweites mal nonstop um die welt gesegelt sei, um dann in tahiti vor anker zu gehen. tabarly hatte dazu leider nichts zu sagen. es hätte mich interessiert, wie denn diese beiden unterschiedlichen figuren, tabarly und moitessier, die die leidenschaft fürs segeln verband, die aber so verschiedene hintergründe hatten, wie diese beiden figuren nebeneinander wahrgenommen werden. moitessier wurde in indochina geboren, lernte dort segeln, vermutlich war die familie dort auch aus militärischen gründen, dennoch wurde moitessier kein militär. nach dem abbruch der allerersten nonstop-regatta um die welt fuhr er nach tahiti und demonstrierte dort gegen das fällen der bäume am hafen, während tabarly seinen nächsten racer bauen ließ.
die bilder vom meer, von segelbooten, vom segeln, unterlegt mit musik von yann tiersen, haben mir auf jeden fall wieder lust gemacht aufs segeln. in den frühjahrsferien fahre ich zum boot, das ist die zweite aprilhälfte, und ab mitte juni hab ich frei, bis ende september. diesen sommer solls passieren. boot fertig machen, boot ins wasser setzen, segeln. segeln.

06. Nov. 2008

fast schon einwintern
der sommer ist bald rum, heute gehts an die ostsee, zwei tage segeln, leider nicht mit der baustelle, weil sie noch baustelle ist. mit dem auto einige sachen dort vorbei bringen, zwei rettungswesten, fünf lifebelts, ein fernglas, den sextanten und den barograph. bisschen traurig ist das, schon wieder. verschieben aufs nächste jahr. vorher: im september zwei wochen basteln, deckenverkleidung in der achterkabine, vielleicht das deck streichen, je nachdem, ob hilfe da ist. es bleibt bei allen gescheiterten plänen nur: weitermachen, bis das boot fertig ist und schwimmt und - segelt.

29. Aug. 2008

riffe
vorhin in einer ausstellung zu riffen, naturkundemuseum berlin. später mit westwind im rücken die karl-marx-allee entlang gefahren. am wochenende gehts zum boot.

22. Jul. 2008

keine intellektuelle reflexion
beim einschrauben einer querverbindung am bett im achterschiff heute der gedanke, dass ich mein dasein hier und jetzt in der werft, am boot arbeitend, kaum intellektuell betrachte. ich arbeite und bin in den schleifen von tun und grübeln unterwegs. dabei ist diese werft ein erstaunliches gebilde. und mein verhältnis dazu ist auch erstaunlich. ich bin nicht nur kunde, ich verbringe, wenn ich hier bin, tag und nacht auf dem gelände, abgesehen von kurzen einkaufstouren ins dorf. und dadurch entstehen natürlich eine ganze menge von beziehungen. ich als beobachter beobachte das funktionieren der werft. mit der zeit treten verschiedene verhältnisse hervor: die verhältnisse der arbeiter untereinander, ihr verhältnis zum chef und ihr verhältnis zu den kunden und ihren booten. dann natürlich die verhältnisse des chefs. das verhältnis zu seinen leuten, zu seinen kunden, das verhältnis zu seiner frau, wenn er im büro mit ihr scherzt, das verhältnis zu seinen kindern, das eher ein nicht-verhältnis ist. und dann gibt es meine verhältnisse zu allen diesen leuten und verhältnissen. die beobachtungshaltung, die ich zum teil einnehme, ist nicht nur von interesse geprägt, sondern auch eine strategie, um mich rauszuhalten hier und die verhältnisse kurz zu halten. dabei freue ich mich immer, wenn einer der kühlen burschen interesse an mir zeigt. manche grüßen mich, und mit dem ein oder anderen hab ich auch schon ein kurzes schwätzchen gehalten, für einige bin ich einfach luft. das dann leider nicht nur so, dass ich in ihrem hintergrund verschwinde, sondern intendierte luft. komische sache. warum nur? weil die menschen von natur aus scheu sind? vielleicht wegen dem seltsamen status, den ich hier habe. außer mir wohnt niemand im wohnwagen auf dem gelände und arbeitet von morgens bis abends an seinem boot.
an dieser stelle beginnen dann meine projektionen: ich stelle mir vor, dass die arbeiter es komisch finden (und ablehnen), dass ich hier bin, weil ich doch eigentlich lohnarbeiten müsste. ich frage mich, was für ein bild von mir kursiert (wenn eins kursiert). kind reicher eltern? arbeitsloser mit geschick im amtsbetrug? die meisten bootsbesitzer, die hier unter der woche tagsüber an ihren booten basteln, sind rentner.
später die vornahme, mich nicht auf eine weise zu verhalten, die darauf zielt, ein bestimmtes bild bei anderen zu hinterlassen (fleißig, ausdauernd, ständig bei der sache), weil das ja doch nur auf eine doppelte spiegelung abzielt: ich möchte ein bild erfüllen, das ich von mir auf die anderen übertrage, ohne dass ich wüsste, wie die anderen mich überhaupt sehen und was deren normative vorstellungen von meinem dasein überhaupt sind, wenn es denn welche gibt. und wenn es welche gibt, dann würde ich das wohl bedenken, aber mein handeln dem nicht unterwerfen. dieser weg also ziemlich verschwurbelt. statt dessen: die eigenen vorstellungen als eigene vorstellungen erkennen anstatt sie auf die anderen zu übertragen und dann eine auseinandersetzung damit starten, um die frage zu beantworten: wie will ich's machen? und das dann auch so zu machen. damit die rückkehr zu einer entspannten praxis zu finden, die das /arbeiten/ produktiv werden lässt.

12. May. 2008

fade out
seit tagen wieder beim boot. mit der achterkabine angefangen. den bereich mit dem wassertank und der noch nicht gebauten backskiste von hinten zugeschottet und damit den kabinenraum geschlossen. zwei niedrige schotts gezogen für das doppelbett. vorne mittig einen dicken, stabilen eichenbalken eingesetzt, von der decke bis zum boden - das stabile zentrum der ganzen kabine. erstaunlicher effekt der raumausrichtung. später wird der balken in der ecke eines großen schranks verschwinden, ein unsichtbares zentrum. /absatz/ die seitenverkleidung backbord oberhalb der bettfläche ist auch fertig, der fensterrahmen ist schon geschnitten und mit iso-zeug beklebt, muss nur noch eingebaut werden. die vorderste backskiste ist auch schon verkleidet. bei der konstruktion konkrete geometrie: eine im verhältnis zu zwei senkrechten parallelen ebenen schräg nach hinten laufende fläche in die parallelen einpassen. saß ich fünf minuten und hatte dann eine idee. ein schöner moment, eine idee. erst die neigung auf der einen seite festgelegt und dann mit der schmiege übertragen, und dann den winkel zwischen schott und brettkante mit der schmiege abgenommen. (das hier sind worte und es gelingt mir nicht, die anschaulichkeit einer zeichnung oder gar der einzigartigen wirklichkeit zu imitieren). jedenfalls ging alles gut auf und das verkleidungsstück sitzt jetzt schräg, geneigt und sauber zwischen den schotts. /absatz/ und nach zwölf stunden basteln geht der tag zu ende mit filmmusik, babel, die musik zum fade-out des films heute zum fade-out meines basteltags und zum fade-in dieser nacht.

12. May. 2008

wiederaufnahme
nichts ist zu den akten gelegt, alles ist noch da und sehr präsent. es ist noch ein unfertiges boot da, es ist noch ein wohnwagen auf einem werftgelände da, es ist noch holz da, das verbaut werden soll, es ist noch lack da, um das holz zu lackieren, es sind noch schrauben da und schraubenzieher, kabel und kabelklemmen, lichter, die montiert werden wollen, navigationselektronik, die auf ihren ersten einsatz wartet, die segel sind noch da und das steuerrad, die rettungswesten und gummistiefel, und es sind noch wünsche da, im sommer mit dem boot zu segeln und auch die hoffnung ist noch da, dass das in diesem jahr hinhaut. wiederaufnahme der arbeit.

19. Apr. 2008

Dezember
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2008
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