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Gentlemen don't go to windward
Den Spruch Gentlemen don't go to windward hab ich irgendwann auf einem Reiseblog gelesen und fand ihn gleich blöd. Weil was macht man denn dann, wenn der Wind von vorne kommt (und stehenbleiben oder zurückfahren keine Option ist)?
Heute hab ich zumindest ein bisschen Einverständnis gelernt. Beim Motoren gegen den Wind. Segeln ging erstmal ganz gut, von Stralsund bei vier Beaufort am Vormittag gen Norden gekreuzt. Rügen und Hiddensee waren diesig zu erahnen, für die nächsten Tonnen war die Sicht aber okay. Gewitter waren heute für alle Gegenden Vorpommerns angekündigt, nur nicht für Stralsund und Hiddensee. Die Haufenwolken, die sich über der Insel bildeten, wuchsen sich nicht aus.
Kurz hinter der Abzweigung des Fahrwassers nach Barhöft wird auch das Strelasund-Fahrwasser schmal, sprich: Nur noch zwischen den Tonnen ist es tief genug für uns. Weil der Wind aber direkt von vorn kam, bargen wir die Segel und starteten den Motor. Mit banger Hoffnung, weil in den Tagen davor der Motorantrieb zwischendurch ein bisschen gesponnen hatte. Beim Gas geben zur zügigen Fahrt durch die Ziegelgrabenbrücke hatte der Auspuff eine ziemlich große Portion Dampf abgegeben, sodass wir eine weiße Wolke hinter uns her zogen. Und überhaupt war das Boot schon in Greifswald auch bei mehr Gas nur eher langsam unterwegs gewesen.
Im Strelasund bei vier Beaufort und etwa einem Knoten Strömung von vorn dampften wir mit den standardmäßigen 1800 Umdrehungen/Minute auf der Stelle. Nach einer halben Stunde Warmlaufen erhöhten wir auf 2400 Umdrehungen und machten damit ungefähr zweieinhalb Knoten Fahrt über Grund. Mit weißer Rauchfahne am Heck, sodass sich die Leute auf den entgegenkommenden Booten schon gegenseitig auf das Spektakel aufmerksam machten. Unangenehm. Zurückfahren wäre eine Möglichkeit gewesen. Wollten wir aber nicht. Nur bis Klimphores Bucht sollte es noch reichen (dort liegen wir jetzt), dann bekäme der Motor wieder frei. Bestätigt wurden wir durch die weiße Dampffahne am Heck eines entgegenkommenden Bootes. Theorie: Die hohe Luftfeuchtigkeit, die hier derzeit herrscht, führt dazu, dass der ganze Wasserdampf aus dem Auspuff sofort kondensiert und als Dampf sichtbar wird.
Nach dem Abbiegen aus dem Fahrwasser und bei der Fahrt quer zum Wind dann nochmal das Heckwasser gecheckt, und es sah merkwürdig aus. Der Wasserschwall ging nur nach Steuerbord raus, und nicht wie sonst einigermaßen symmetrisch nach achtern. Dass mit der Schraube was nicht stimmt, hatten wir uns schon vorher überlegt, die Theorie ging aber hin zu 'mit Seepocken bewachsen' (das obere Zehntel des Ruderblatts ist mit Seepocken bewachsen). Jedenfalls legte ich an der Stelle einmal kurz den Rückwärtsgang ein, dann wieder Vorwärts, und plötzlich gab die Schraube bei wenig Gas schon richtig Schub! Die letzten hundert Meter zum Ankerplatz dann also in lockerer Marschfahrt, wie üblich.
Aus diesem Tag also erstmal eine doppelte Lehre: Wenn Motorfahrt gegen den Wind nicht unbedingt nötig ist (Hafeneinfahrt, Bucht, letztes Stück zum Ankerplatz etc.), dann lieber bleiben lassen und auf den richtigen Wind warten. Auch wenn das Warten weh tut. Zweite Lehre: Der Motor ist besser, als man denkt, und wenn er nicht rund läuft und keinen Schub gibt, dann liegt das erstmal nicht an fehlender Kraft, sondern an fehlender Kraftübertragung. (Erinnerung, vor zwei oder drei Jahren: Auf dem Weg aus einer schwedischen Bucht raus auf die Ostsee bei fünf Beaufort und einem Meter Welle von vorne kam der Motor an seine Grenzen. So waren die Bedingungen heute aber nicht.)
Ansonsten sind wir einerseits guten Mutes hier an Bord. Das Wetter ist besser geworden (kein Gewitter mehr), und für Donnerstag bis Samstag sind westliche bzw. südliche Winde angekündigt, die uns in möglichst kurzer Zeit bis Göteborg schieben sollen. Und jedenfalls am Donnerstag erstmal für die Fahrt nach Schweden.
Ein Unglück (Motorprobleme) kommt selten allein, und so verließ uns heute auf der Fahrt irgendwann das Echolot. Zeigte nur noch eine Tiefe an: 0,9 Meter. Sprang zwischendurch wieder auf sinnvolle Werte, irgendwann dann aber fast gar nicht mehr. Ankermanöver dann mit Sicherheitsmarge nur mit dem Plotter gefahren. Ich vermute, dass das Glas vom Geber zugewachsen ist und dann bei schlechter Echoqualität nichts sinnvolles mehr berechnet werden kann. Leider sieht man im trüben Boddenwasser nicht mal die Hand am eigenen ausgestreckten Arm. Der Plan deshalb: Ein paar Schwämme an den Bootshaken binden und so gut es geht die Region um das Echolot wischen.
Und ums Maß voll zu machen: hängt sich immer dann, wenn wir den Motor starten, der wunderbare Navberry Pi auf. Was nervt, aber vermutlich nicht am Rechner selbst liegt (hoffentlich nicht). Einen anderen Umwandler habe ich noch dabei, der muss aber eingebaut werden. Die Bastelei hört also nicht auf.
Andererseits haben sich ein paar Dinge auch bewährt. Allem voran der Ladestromverteiler, der, weil wir in den letzten Tagen sehr viel motort sind, die Verbraucherbatterie voll geladen hält. Mit dem AIS-Empfänger sehen wir die großen Schiffe wunderbar auf dem Monitor. Und nicht nur das, wir sehen auch, wie groß sie sind, welchen Kurs sie fahren und ihre Geschwindigkeit, sodass Gefahrensituationen z.B. beim Queren von Verkehrstrennungsgebieten oder in schmalen Fahrwassern schon früh auf dem Bildschirm gesehen werden können. Außerdem ist es lustig, diese Daten ganz legal aus der Luft zu sammeln und zu sehen, wer sich da auf See so alles tummelt und wohin jeweils die Reise geht.
Auch das frisch gereinigte Großsegel macht gute Figur, das Profil ist zumindest teilweise wiederhergestellt, wobei ich von der Red-Gull-Reinigung, die eine wirklich komplette Wiederherstellung der Form in Werbetexten nahelegen, mehr erwartet hätte. Zumal der Palstek ein ziemliches Loblied auf die Methode und ihre Ergebnisse gesungen hatte. Dennoch: Das Tuch wirkt wieder stabiler, die Form ist merklich besser als vorher. Und mit dem neuen stabilen Baum, dem Anfang des Jahres gepimpten Reffsystem funktioniert die Arbeit mit dem Segel gut.

Insgesamt bin ich, vielleicht so wie jedes Mal, überrascht, wie wenig Routine ich doch habe, trotz der vielen tausend Meilen, die ich in meinem Leben schon gesegelt bin, auch mit diesem Schiff. Die Gewitterlage der letzten Tage hat mich ziemlich fertig gemacht, die Rückschläge mit dem Motor, dem Echolot und dem Navigationscomputer kamen noch dazu. Und dann das Segeln: Es kostet einfach unglaublich viel Energie, körperlich und kognitiv, so ein Boot in Bewegung zu halten, zumal mit kleiner Crew, in unserem Fall also nur zu zweit.
Deshalb ist es mir auch ganz recht, dass wir morgen hier vor Anker in Klimphores Bucht noch einen Ruhetag einlegen. Es geht auch gar nicht anders, weil der Wind erst Mittwoch am späten Nachmittag langsam auf Nordwest bis Westnordwest drehen soll. Rein rechnerisch (mit konservativen Geschwindigkeitsannahmen: 4 Knoten) wären wir dann, mit einer wenigstens zehnstündigen Kreuz und weiteren acht Stunden hoch am Wind, achtzehn Stunden unterwegs. Und das wollen wir uns nicht gleich am ersten richtigen Seetag geben. Ab Donnerstag sind für uns günstige Winde angekündigt, der Wind soll über West, Süd auf Südost am Freitag drehen. Damit kommen wir wohl zumindest erstmal bis Schweden (Destination!).

29. Jul. 2014

't is our destination, not our destiny
Gestern haben wirs geschafft und sind - gestartet. Ziemlich hektisch, obwohl Zeit war, und doch nicht schnell genug, sodass die Brücke wieder unten war, als wir dort ankamen. Die Reise beginn also schon gleich mit einem Zwischenstopp. Immerhin vor dem Eisladen, und zum Runterkommen ist es auch gut. Um elf passieren wir die Brücke, fahren raus, setzen an der zweiten Fahrwassertonne die Segel. Das Wetter ist heiß, fast schwül, der Wind ausreichend zum Segeln unter Vollzeug. Nach kurzer Kreuz gegen den Nordost biegen wir ab in Richtung Strelasund, haben den Wind jetzt von schräg hinten und machen gute Fahrt.
Über dem Festland ballen sich bereits die Wolken auf. Die ganzen letzten Tage ist es schon gewittrig, und irgendwann am Nachmittag entwickeln sich überall die Superzellen mit Blitz, Donner, Starkregen. Ausläufer haben wir noch in Greifswald am Vortag mitgekriegt. Deshalb rechnen wir mit dem Schlimmsten, unser Exit-Plan ab Einfahrt in den Strelasund sieht vor: Ankern am Wegesrand, bis die Sache vorbei ist.
Es dauert nicht lang, bis wir ihn brauchen. Mit den ersten Nachmittagsstunden ist es immer heißer und auch feuchter geworden. Eine breite Säule hat sich nördlich von uns über Rügen aufgebaut, über dem Festland nehmen nach und nach die Gewitterwolken ihre typischen Gestalten an. Und während die Säule über Rügen vom Wind wieder zerschoben und abgebaut wird, verdunkelt sich vor uns langsam der Horizont. Obwohl wir mit dem Wind segeln, vertieft sich die Gewitterwolke vor uns immer mehr und wandert zügig auf uns zu. Blitze zucken über Stralsund und über dem Festland südlich von uns, Donner rollt über den Sund. Wir beschließen, uns die Gewitterdurchfahrt zu ersparen und suchen Schutz im Glewitzer Wiek. Noch während wir die Segel bergen, schiebt sich langsam der äußere Wolkenrand der Zelle über den Himmel und verdunkelt uns die Sonne. Die Einfahrt zieht sich hin und wir tuckern am idyllischen Vogelschutzgebiet vorbei, die Böenwalze nähert sich langsam. Während des Ankermanövers dreht der Wind plötzlich um 180 Grad und frischt heftig auf, Regen fällt in dicken Tropfen, die unten ausgezackte Wolke schiebt sich über uns. Der Winddruck gräbt den Anker tief in den Schlick, donnernd bersten die Wolken über uns, wir verziehen uns unter Deck.
Später am Abend kühlt die Luft ab, wird die Atmosphäre wieder ruhiger. wir nutzen die Ruhe, um kurz schwimmen zu gehen und die Sonnencremereste von der Haut zu waschen.
Am nächsten Morgen stehen wir um halb fünf auf, um in Stralsund die Brücke um zwanzig nach acht zu erreichen und dann vor den nächsten Gewittern bis Hiddensee zu kommen. Um festzustellen, dass der schmale Ausgang der Bucht und die Fahrwassermarkierungen in einer Nebelbank versteckt liegen, sodass wir nicht auslaufen können. Also gehe ich wieder schlafen, während L. ein Morgenbad nimmt. Wir starten schließlich gegen halb zehn, um drei Stunden später hier in Stralsund anzulegen. Der Wind weht sehr schwach aus Nord, und genau da wollen wir hin. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das Wetter uns hier gerade ziemlich festhält. Erst für Mittwoch abend ist die ersehnte Westwetterlage angekündigt, die uns dann straight nach Norden bringen kann. Wir haben ein Ziel, ob wir es in unsere Modus erreichen können, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

28. Jul. 2014

VHF hard reset
Vor einigen Jahren, noch während ich mit dem Ausbau von Aimé beschäftigt war, hat mir mein Onkel sein altes UKW-Funkgerät geschenkt. Damals war das sogar noch ein einigermaßen aktuelles Modell. Er hatte Empfangsprobleme und tauschte das Gerät gegen ein neues aus; ich dachte, das funktioniert doch noch, testete die Grundfunktionen und baute es ein. Erst später, als das Boot schon im Wasser lag und wir erste Touren machten, beantragte ich die Frequenzzuteilung von der Bundesnetzagentur. Jede Seefunkstelle, das heißt auch jede Yacht mit einem Funkgerät an Bord, braucht eine Genehmigung zum Funken und ein Rufzeichen, evtl. eine MMSI, beides wird von der Bundesnetzagentur vergeben. Als die Frequenzzuteilung kam, war die Freude groß. Das Funkgerät ist DSC-tauglich, ermöglicht also die Teilnahme am digitalen Funkverkehr (automatische Meldungen, insbes. auch Distress-Meldungen). Dafür braucht man die MMSI, die einfach eine lange Nummer ist. Diese Nummer wird im Funkgerät gespeichert und beim Funken mitgeschickt.
Da nun das Funkgerät vorher auf einem anderen Schiff war, war auch noch die alte MMSI gespeichert. Aus verschiedenen Gründen ist es in der Funkgeräteindustrie Standard, dass die MMSI nur ein einziges Mal eingegeben werden kann und dann für immer gespeichert ist. Um die Nummer zu ändern, muss das Gerät zum Händler. Neben dem Argument, dass diese harte Codierung der MMSI einem versehentlichen Ändern vorbeugt, habe ich in einigen Diskussionen zum Thema noch gelesen, dass damit dem Diebstahl von Funkgeräten begegnet wird, weil die Herkunft eines hartcodierten Geräts zurückverfolgt werden kann.
Beide Argumente finde ich nicht stichhaltig. Aus Versehen gebe ich die MMSI nicht neu ein, und hier können softwareseitig genügend Hürden eingebaut werden, damit z.B. jemand, der sich mit dem Gerät nicht auskennt, aber auch ich selbst daran gehindert werden, mal eben so die MMSI neu einzugeben. Das Diebstahlargument ist schwach, weil kein grab-and-run-Dieb ein festverbautes Funkgerät mal eben so ausbaut. Und organisierte Kriminalität hat mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Zugriff auf die Tools, die auch die Händler und Hersteller zur Neuprogrammierung nutzen.
Ein drittes Argument ist, dass durch die Hartcodierung dem Missbrauch von MMSI vorgebeugt wird. Schließlich könnte sich, wenn die MMSI leicht neu eingegeben werden könnte, jemand den Spaß erlauben und mit meiner MMSI einen Notruf absetzen, der die Rettungskette in Gang setzt und damit möglicherweise teure Kosten verursacht. Dem wäre entgegenzuhalten, dass Leute ja trotz fest einprogrammierter MMSI ihre hartcodierten Funkgeräte verkaufen. Und das würde Missbrauch genauso ermöglichen. Bisher habe ich allerdings noch keine Berichte über missbräuchliche Verwendung einer fremden MMSI gefunden.
Das Argument funktioniert hier vielleicht sogar anders herum besser. Denn: Angenommen der Fall, ich kaufe eine gebrauchte Funke und stelle dann erst fest, dass ich meine MMSI nicht mehr eingeben kann, weil schon eine gespeichert ist. Dann wäre es für so Manchen naheliegend, die Nummer einfach im Gerät zu lassen, mit dem Argument 'Das brauche ich doch sowieso nicht, den Quatsch.' (sinngemäß so in einem Forum gelesen).

Wie dem auch immer sei, ich wollte mein Gerät - ein Simrad RD68 - nicht ausbauen und zum Händler geben und machte mich im Netz auf die Suche nach Lösungen. Bald stellte sich raus, dass man für die Neuprogrammierung ein Computerprogramm braucht, das nicht einfach zu haben ist (und das nur unter Windows funktioniert). Bei anderen Geräten (z.B. Navman 7100) reicht es, irgenwo im Bedienmenü einen geheimen Code einzugeben, um die MMSI zu entsperren (der geheime Code fürs Navman zirkuliert inzwischen auch im Netz). Leider nicht beim RD68. Irgendwann tauchte in einem Forum aber die Möglichkeit für einen hard reset auf. Irgendjemand schickte mir auf Anfrage die Anleitung, was sehr nett war. Und mit einem Ausflug in die Tiefen der elektronischen Schaltung und detektivischer Sucharbeit auf der Platine des Bedienteils fand ich die beiden Punkte, die über eine Lötbrücke miteinander verbunden werden sollten. Was, abgesehen von einem Moment, in dem ich dachte, jetzt ist das Ding kaputt, weil das Bedienteil den Kontakt zum Gerät nicht mehr kriegte und das Display einfach tot blieb, ganz okay zu machen war. Auch wenn eine Lupe und eine sehr feine Lötspitze bei dieser Arbeit von Vorteil gewesen wäre.
Nach dem Setzen der Lötbrücke war jedenfalls die MMSI entsperrt, und jetzt ist Aimé endlich auch unter der eigenen Nummer erreichbar bzw. sichtbar! An dieser Stelle deshalb shout-outs zum Erfinder von tv-b-gone und den Leuten vom IN-Berlin, wo ich bei einem Workshop das Löten und die rudimentäre Lektüre von Schaltkreisen gelernt habe.

27. Jul. 2014

Auch Baustellen können segeln
Seit dem letzten Jahr ist eine wichtige Sache passiert: Ich habe mich damit abgefunden, dass ein eigenes Boot immer Baustelle bleibt. Immer. Und nicht nur eine Baustelle, sondern eigentlich besser: viele Baustellen. Für die Vorbereitung einer Reise geht es deshalb nicht nur darum, die wichtigen Baustellen zu identifizieren und abzuschließen, sondern auch darum, die weniger wichtigen Baustellen eben sein zu lassen und zu fahren. Sonst passiert es, dass man überhaupt nicht ablegt. Das ist mir und uns im letzten Sommer so passiert. Und war nachhaltig frustrierend. Außerdem: Wenn das Boot nicht segelt, welchen Sinn haben dann noch die Baustellen?
Dieses Jahr habe ich versucht, die notwendigen Dinge zu erkennen und abzuarbeiten. Ist mir bisher auch gelungen. Neuer Großbaum ist angebaut, damit auch eine neues und besseres Reffsystem (schon im Frühjahr geschafft), die Elektrik ist so ergänzt, dass wir unabhängig von Landstrom eine ganze Weile unterwegs sein können (Umrüstung aller Positionslichter auf LED, Umrüstung des Navigationsrechners auf den Navberry Pi, Einbau des Ladestromverteilers, sodass die Verbraucherbatterie jetzt auch mit dem Dieselmotor geladen wird), das robuste Großsegel ist gesäubert und geprüft (vom Segelmacher). Die Musts für einigermaßen unabhängiges Segeln sind also da. Es fehlen ein paar Shoulds, allem voran ein Autopilot oder die Windfahnensteuerung. Aber auch das ist verzichtbar, wir steuern eben von Hand. Hauptsache, es geht bald los.

Der Navberry Pi hat jetzt die Hafenprobe überstanden. Das Navigationsprogramm läuft gut, die Bildschirmauflösung ist optimiert, und auch die AIS-Anbindung funktioniert. Mit der zusätzlichen Elektronik (AIS-Modem, aktive Antennenweiche, GPS) braucht der Rechner insgesamt 6 Watt. Meine erste Rechnung war also deutlich zu optimistisch. Dennoch ist das insgesamt mindestens zwölf Watt weniger als mit dem Laptop, also in 24 Stunden eine Ersparnis von 24 Ampèrestunden (und ein Gesamtverbrauch von 12 Ampèrestunden). Der Rechner lief die gesamte Nacht durch, ohne Probleme. AIS-Tracking-Update funktionierte. Überhaupt ist die AIS-Anbindung sehr gut. Gestern abend, bei sehr klarem Wetter, zeigte sich auf dem Display ein Schiff, das in Rönne/Bornholm im Hafen lag - mehr als 80 Seemeilen Luftlinie entfernt.

23. Jul. 2014

navberry pi pt. 2
Nachdem ich es nicht geschafft habe, rechtzeitig vor unserer Sommerreise den Windgenerator zu montieren, kann jetzt immerhin der stromsparendste Kartenplotter ever an Bord montiert werden. Mit einer von Sean de Pagnier getweakten Version von Opencpn schafft Opencpn auf dem Raspberry Pi Model B auch Vektorkarten (was mit der Hauptversion des Programms den Rechner wegen der intensiven Nutzung des Arbeitspeichers nach kurzer Zeit zum Absturz bringt). Zum Stromvergleich: Mein Laptop, der sonst als Bord- und Navigationsrechner fungierte (mit externem Bildschirm) zieht bei 12 Volt 2 Ampère, also ca. 25 Watt. Der Raspberry Pi verbraucht je nach Nutzung 2,2 bis 2,6 Watt, also ungefähr ein Zehntel der Energie, die ein Standardlaptop zieht! Rechnet man das auf eine durchschnittliche Tagesreise von zehn Stunden, braucht der Laptop 250 Watt oder ca. 20 Ah, der Raspi nur 25 Watt oder ca. 2 Ah. Je länger man unterwegs ist, desto mehr fällt das ins Gewicht, wenn wir über Nacht fahren und die beiden Tage nutzen, sind wir etwa 35 Stunden unterwegs, dann zieht der Laptop 70 Ah, das sind 70 Prozent unserer verfügbaren Batteriekapazität (die Batterie hat 200 Ah). Der Raspi zieht in derselben Zeit nur 7 Ah. Und wir erhöhen unsere Reichweite mit dem Austausch von nur einem Teil mal so eben um mehrere Tage Energieunabhängigkeit.
Nachts ziehen natürlich auch die Positionslichter oder das Ankerlicht. Deshalb hab ich LED-Lichter montiert, die brauchen ungefähr soviel wie der Raspberry Pi. Das Topplicht (Ankerlicht) mit 1 Watt sogar deutlich weniger.
Ich bin trotzdem gespannt, ob die Rechnung aufgeht und ob der Navberry Pi die Reisestrapazen gut überstehen wird. Er ist eigentlich sehr robust gebaut (keine beweglichen Teile, passive Kühlung funktioniert bis 70 Grad Celsius usw.).
Der Test an Bord steht noch aus, also Anschluss der GPS-Maus und Anschluss des AIS-Empfängers. Beides läuft auf dem Laptop, im Zweifel ist dieser Rechner also als Fallback mit dabei.

17. Jul. 2014

vorbereitung
Es ist fast schlimm, nach so vielen Jahren ständig wieder diese Überschrift zu setzen. Vorbereitung, immer wieder Vorbereitung. Und die Zeit und die Kraft, die in die Vorbereitung von Reisen fließen, und vor allem in die Vorbereitung des Schiffs für überhaupt Reisen, steht echt in keinem Verhältnis mehr zum Unterwegssein. Aber egal. Anders ist es jetzt nicht mehr zu machen. Deshalb also: Vorbereitung.
Und dieses Mal ist es überschaubar geblieben. Großprojekte wie Windfahnensteuerung anbauen, Geräteträger besorgen und mit Windgenerator anbauen sind irgendwann, als klar war, dass die Zeit dafür nicht reichen würde, wieder von der Liste Must auf die Liste should verschoben worden. Sollte gemacht werden, weil es das Reisen deutlich komfortabler macht, ist aber nicht zwingend, um jetzt Ende Juli endlich wieder loszufahren, nachdem letztes Jahr Pause war, weil sich die Vorbereitung (sic) in die Fahrtzeit reinzog und kein Ende nahm.
Deshalb dieses Mal hoffentlich besseres Timing. Lernerfolg aus dem letzten Jahr jedenfalls: Jetzt, so kurz bevor's losgeht, kein Großprojekt mehr anfangen. Statt Windgenerator hab ich heute endlich den Ladestromverteiler eingebaut, sodass die Verbraucherbatterie jetzt auch Strom vom Motor kriegt. Mit 17 Ampère ist die Lichtmaschine zwar sehr schwach, aber wenn die anderen Ergänzungen erledigt sind, dann sollte das trotzdem reichen, wenn der Motor am Tag eine halbe bis eine Stunde läuft. Der größte Stromverbrauche ist bisher der Navigationsrechner, aber der wird noch gegen einen sehr stromsparenden Minirechner (Cubox-i2) getauscht. Hol ich am Donnerstag beim Zoll ab. Zweitgrößter Stromverbraucher (bei Nachtfahrt) sind die Positionsleuchten. Die werden, das Achterlicht ist gerade in Arbeit, gegen LED-Lichter getauscht. Und damit der Strom um das Zehnfache reduziert. Und wenn das fertig ist, verbraucht keins von den Geräten, die permanent in Betrieb sein müssen, mehr als 5 Watt max (5 Watt braucht der Bildschirm für die elektronische Navigation, und genau genommen ist der nur an, wenn navigiert wird, also auch nicht ständig. Alle anderen Geräte verbrauchen weniger als 2 Watt).
Neben dem Einbau des Ladestromverteilers heute auch schön: Die Antennenweiche angeschlossen und das AIS-Modem ausprobiert. Funktioniert prima. Unter Linux müssen nichtmal Treiber installiert werden, das Gerät erscheint als serieller Port und wird von OpenCPN im Auswahlmenü für die Verbindungen angezeigt. Noch die richtige Baudrate eingestellt, und nach und nach erschienen selbst hier, knapp drei Meilen im Landesinneren, noch ein paar Schiffe auf dem Display. Einige sind Nachbarn hier, andere sind zehn Meilen weg. Die weiteste Distanz war ein Seezeichen in knapp 15 Seemeilen Entfernung. Das ist von der Reichweite her erstmal erträglich, auch wenns besser sein könnte. Und die Weiche hat auch den Empfang des Funkgeräts verbessert. Jetzt kommen Funkstimmen nicht mehr so verrauscht (und es kommen überhaupt Stimmen rein). Der Empfang könnte aber noch besser sein, und ob das jetzt an der Antennen liegt oder am Gerät, muss sich noch zeigen.
Die Vorbereitung ist also im Gang, und irgendwie bin ich zuversichtlich, dass das dieses Jahr besser hinhaut und wir in zwei Wochen wirklich für eine Weile rausfahren können.

07. Jul. 2014

Rettungswesten
(Monatelang nichts geschrieben, ohne Grund, deshalb geht es jetzt hier einfach so weiter.)
In drei Wochen geht es los, große Sommerreise, und dieses Wochenende ist Zeit für Vorbereitungen: Segel vom Segelmacher holen, Anker wechseln, Equipment prüfen. Dabei wird klar, dass die automatischen Rettungswesten, die wir an Bord haben, ihre Wartungsintervalle längst überschritten haben. Letzte Wartung wäre fällig gewesen, ich trau's mich fast nicht zu schreiben: 2002. Die absolute Lebensdauer von Rettungswesten ist natürlich begrenzt (so wie die absolute Lebensdauern von jedem Ding und jedem Wesen in diesem Universum, und wahrscheinlich sogar des Universums selbst). Aber wie lange kann man eine automatische Rettungsweste nutzen?
Der Fachverband Seenotrettungsmittel e.V. (FSR), ein Zusammenschluss mehrerer Hersteller von Sicherheitsausrüstung, empfiehlt erstens, Rettungswesten - eine regelmäßige Wartung (alle zwei Jahre) vorausgesetzt - nicht länger als zehn Jahre zu nutzen, und zweitens, die Westen nach Ablauf der zehn Jahre regelmäßig beim Hersteller selbst warten zu lassen. Als absolute Obergrenze nennt der FSR 14 Jahre. Eine Zusammenfassung dieser Punkte findet sich auf den Seiten von Secumar.
Für uns heißt das, dass wir unsere Westen eigentlich außer Dienst stellen müssten. Die Westen sind Baujahr 2000, sind jetzt also in ihrem theoretisch letzten Lebensjahr. Sie wurden allerdings nie von einem Fachbetrieb gewartet und erfüllen damit die Kriterien des FSR überhaupt nicht mehr und können nach diesen Kriterien auch nicht mehr vom Fachbetrieb gewartet werden. Das ist schade, weil die Westen die meiste Zeit im Schrank hingen. Deshalb hab ich mich entschieden, die Westen jetzt selbst zu prüfen. Auslösen, 24 Stunden aufgeblasen lassen, um Dichtigkeit zu testen, CO2-Patrone austauschen, Automatiktablette austauschen, manuelle Mechanismen prüfen, Luft rauslassen, wieder einpacken. Und wie das mit dem Einpacken geht, steht glücklicherweise auf den Seiten des Herstellers Kadematic.

04. Jul. 2014

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