Ozeansegeln. Reiseaufzeichnungen

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Alptraum und Trauma
Um einmal auszutesten, wie sich das Skagerrak auf offener See anfühlt, und um mit dem guten Südwestwind Strecke zu machen, beschlossen wir, einen Tag lang nicht innerhalb des Schärengürtels, sondern draußen zu segeln. Bei sechs Beaufort in der Düse zwischen den Schären starteten wir hoch am Wind mit dreifach gerefftem Großsegel und der Starkwindfock. In den Sund standen zwei Meter hohe Wellen, die aber erstaunlich okay zu bewältigen waren. Einmal ist es dort schon sehr tief, sodass sich die Wellen nicht aufsteilen, und zum anderen waren die großen Wellen keine Windsee, sondern Schwell, der aus den westlichen Regionen des Skagerrak, wo es in den vergangenen Tagen gestürmt hatte, heraus lief.
An den Felsen brachen sich die Wellen und warfen Gischt in den Himmel, weißes Meer und dunkle Felsen, shock and awe.
Bald bogen wir nach Nordwesten ab, um eine schmalere Ausfahrt durch den Schärengürtel zu nehmen, die uns erstmal ruhigeres Wasser brachte, bis wir dann den Schärengürtel hinter uns ließen und mit halbem bis raumem Wind und der Strömung im Rücken gute Fahrt nach Nordnordwest machten. Die Sonne brach sich auf den Wellenkämmen der regelmäßig anlaufenden Seen, die uns beständig und wuchtig voranschoben. Über uns Wolken, in der Ferne hier und da eine Schauerbö, zwischendurch auch der hoch aufragende Kamin oder der eisige Amboß einer Gewitterwolke.
An einem Kap - solche Dinge passieren immer an einem Kap - schob sich eine dieser Wolken an unseren Kurs heran. Auf eine Gewitterbö hatten wir uns mental schon eingerichtet. Der Regen schien lokal begrenzt, und Donner war nur alle paar Minuten zu hören. Als sich die Böenwalze an uns heranschiebt, bergen wir die Fock und drehen das Boot mit dreifach gerefftem Großsegel bei. Inzwischen hat der Wind gedreht und stark abgeflaut. Aimé wird von den Wellen stark bewegt, es fehlt die Stabilisierung durch die Vorwärtsfahrt.
Als die Bö uns trifft und der Starkregen einsetzt, gehen wir unter Deck, um abzuwarten, bis das Gewitter durchgezogen ist. Blitz und Donner, unmittelbar bei uns. Und schon zwanzig Minuten Später lichtet sich der Regen, wird wieder Himmel sichtbar. Nur um uns zu zeigen, dass bereits die nächste Gewitterbö im Anzug ist. Der Wind ist weg, geschluckt von den atmosphärischen Störungen. Und während die zweite Gewitterbö nur sehr langsam auf uns zu zieht, dunkelt sich in Lee von uns über Land der Himmel immer stärker ein. Blitze und Donner dort nehmen an Stärke zu. Die Gewitterbö, durch die wir erstmal gut durchgekommen sind, wächst sich über Land schnell zu einem weitläufigen und starken Gewitter aus, das den Abfluss der danach anziehenden Wolken stoppt und sie ihrerseits zum Aufballen treibt. Inzwischen sehen wir in Luv von uns mehrere heftige Gewitterböen, die sich langsam ausweiten. Noch immer ist fast Windstille, und nur die Strömung versetzt uns mit zwei Knoten in die richtige Richtung. Angesichts der gut sichtbaren Böenwalzen wollen wir nicht mehr Segelfläche setzen.
Das zweite Gewitter ist gewaltiger als das erste. Erst nach knapp einer Stunde entlässt es uns wieder in einen schwach zurückkehrenden Westwind. Und die Aussicht auf ein ganzes Band von Böenkrägen. Schon vor dem zweiten Gewitter haben wir das Großsegel geborgen, um das Tuch zu schonen. Jetzt setzen wir die Sturmfock und starten den Motor, um endlich von diesem Kap weg und aus dieser Gewitterlinie herauszukommen. Was uns auch gelingt, und eine Stunde später hat sich der eigentliche Wind wieder durchgesetzt, wir setzen, erschöpft und immer noch misstrauisch gegenüber den größeren Cumuluswolken, das Großsegel und segeln wieder.

Am späten Nachmittag, einige Stunden später, erreichen wir die Einfahrt in den Schärengürtel. An den ersten Felsen brechen sich die Wellen, Gischt hier und da verrät die Unterwasserfelsen, die wir umfahren müssen, um ins innere Fahrwasser zu kommen. Das Wasser beruhigt sich erst, als wir um die Ecke in die Bucht segeln, in der der Hafen Hunnebostrand, unser Ziel für heute, liegt. Bei bestem Wetter segeln wir in die Bucht ein, bergen kurz vor dem Hafen an einer gut geschützten Stelle die Segel, bereiten das Boot in Ruhe zum Anlegen vor.
Im Hafen liegen wir mit Heckboje außen am Steg. Ein schwedisches Paar nimmt unsere Vorleine entgegen. Er fragt in perfektem Deutsch, wo wir herkämen, was der Heimathafen des Schiffs sei, und schnell stellt sich raus, dass er fünf Jahre lang als Ingenieur in Greifswald am Kernfusionsprojekt Wendelstein 7x gearbeitet hat. Für mich ist das ein wunderschöner Gruß aus der Heimat. Das Gewitter steckt uns noch ziemlich in den Knochen und wir gehen erstmal in eine Bar, um unser glückliches Durchkommen zu feiern und den Nerven ein bisschen Gift zu geben. Am nächsten Tag können wir unseren beiden Freunden nur noch beim Ablegen zuwinken. Wir bleiben erstmal da, Ruhetag in Hunnbebostrand.
Der Hafen selbst ist merkwürdig. Eine Seniorenidylle in der Nachsaison. Die zweite Begrüßung bei unserer Ankunft war denn auch, von einem anderen Nachbarboot, ungefähr fünf Minuten nachdem wir die Leinen festgemacht hatten: Ihr müsst eure Fallen abspannen, die machen Lärm. Oh! Danke für den Hinweis! Schlechte Erinnerung an ordentliche Verhältnisse in deutschen Marinas. Wobei. Das gibt es offenbar überall. Als nächstes, wir haben gerade die Segel eingepackt und machen unter Deck eine kurze Pause, kommt der Hafenmeister, klopft laut gegen den Bug und will wissen, ob wir die Hafengebühren schon bezahlt haben. Nein, haben wir noch nicht. Wir sind eben erst angekommen. Na dann aber dalli.
Ist uns aber auch egal. Wir liegen gut geschützt, können nach zwei Ankernächten mal wieder trockenen Fußes an Land und das reicht uns erstmal.
Im Dorf selbst machen die Klamottenläden für die Seniorentouristen großen Schlussverkauf. 70 Prozent auf alles! Bis zu 80 Prozent auf Helly Hansen, Pelle P, Penny Lane und was sonst noch alles für Originale und Kopien in den Auslagen auf die letzten Schnäppchenjäger warten. Einige Läden haben auch schon zugemacht. Danke für den tollen Sommer! steht auf Pappschildern im Schaufenster.
Die Häuser wirken, als wäre hier ausnahmslos fast alles nur für Feriengäste. Dabei sind die Holzhäuser ganz malerisch in den Felsen gebaut, das Dorf hat sich in die Bucht und an den Felsen geschmiegt, wirkt eigentlich wie so gewachsen in dieser Gegend. Früher wurde hier Stein abgebaut, und der Skulpturenpark an der Wasserpromenade zeugt noch davon, dass die Verarbeitung von Stein hier mal wichtig war. Inzwischen ist das von der industriellen zur kulturwirtschaftlichen Nutzung transformiert worden.

13. Aug. 2014

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