Ozeansegeln. Reiseaufzeichnungen

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gislovs läge
gestern dann die überfahrt nach schweden. aufgestanden um vier, gestartet um fünf. der schwache nordwind treibt nebel über den hafen. wir starten trotzdem, mit ausguck und nebelhorn. motoren bis kap arkona, wo sich der nebel langsam lichtet. gleichzeitig schläft hinterm kap der wind ganz ein. der himmel bleibt bedeckt, es regnet. als wir uns der schiffahrtsroute zwischen rügen und schweden nähern, erscheint am horizont auf einmal eine ganze armada von frachtern und tankern. einer von ihnen dreht, nachdem er unseren kurs vor uns gekreuzt hat, um 180 Grad und fährt auf Gegenkurs wieder zurück, kommt diesmal also von steuerbord und hat damit wegerecht. unangenehm ist die situation, weil das manöver so merkwürdig ist und uns nicht klar ist, wie weit der frachter noch dreht. komplett verrückt wird es dann zehn minuten später: der frachter dreht ein zweites mal und geht wieder auf seinen alten kurs, kreuzt aber diesmal hinter unserm heck.
eine viertelstunde später passieren wir dann die ost-west-route. auch hier ein seltsam erhöhtes verkehrsaufkommen. mehrere frachter und ein riesiger tanker kommen vom horizont her schnell auf uns zu. wir peilen und die frachter wandern aus, nur der tanker nicht - kollisionskurs. weil er schließlich doch leicht nach achtern auswandert geben wir etwas mehr gas und kreuzen seinen kurs mit ausreichend abstand. eindrucksvoll und furchterregend sind diese schiffe aber dann doch.

biblische plage

zwei stunden später, mitten auf see, zwanzig seemeilen von jeder nächsten küste entfernt, ereilte uns eine biblische plage. es begann harmlos, ein wenig erstaunlich. einige mimikry-fliegen setzten sich aufs boot, schwebfliegen, wie bienen gemustert, aber harmlos. erst fünf, dann zehn, dann fünfzehn. die biester flogen auf gelb, der rettungsring am heckkorb war bald übersät von unzähligen fliegen. wir dachten erst, die kommen aus den segeln, hätten sich während der drei hafentage vor dem dauerregen verkrochen, aber irgendwann wurden es immer mehr, und größere kamen dazu. wir fingen an, einzelne über bord zu werfen. die viecher waren so geschwächt, dass sie tot umfielen, wenn man sie mit dem finger anschnipste. die fliegen mussten von draußen kommen, auf dem wasser, durch das sich das boot langsam schob, schwammen immer wieder tote fliegen vorbei. als dann die cockpitbänke und der boden, der rettungsring und das großsegel fast bedeckt waren und immer mehr fliegen dazu kamen, die sich jetzt auch auf unsere jacken setzten und ins gesicht flogen, begann das schlachtfest. abwechselnd erschlugen wir die fliegen mit der klatsche und spülten dann ihre leichen mit wasser von bord. aber es wurde noch schlimmer. je näher wir der küste kamen, desto kleiner wurden die fliegen, und desto größer die schwärme. irgendwann waren es so viele so kleine fliegen, dass mit der fliegenklatsche nichts mehr auszurichten war. sie stürzten sich auf uns, sodass ich unter deck schutz suchte und die andern beiden ihrem heldenhaften aushalten an deck überließ. das vorschiff und die segel waren übersät mit winzig kleinen insekten, von unten konnte ich sehen, wie sich m. und l. mund und nase zuhielten und immer wieder mit händen und armen wedelten, um sich vor den fliegen zu schützen.
später kam wind auf, wir setzten die segel und von einem moment auf den nächsten war alles vorbei. was auch immer der grund für diesen merkwürdigen exodus der mimikry-fliegen aufs offene meer war - es war ziemlich gespenstisch.

angesichts des massiven fährverkehrs im hafen von trelleborg entschieden wir uns dann doch dagegen, dort anzulegen (die dinger machen krach und stinken) und segelten zum vier seemeilen östlich gelegenen yachthaven gislovs läge. der hafen selbst ist schön, man liegt auf wenigstens 2,2 metern tiefe, bezahlt haben wir für drei personen und das boot pauschal 150,- skr, alles inklusive ("alles" heißt: duschen, waschmaschinen, klo, strom, wasser). weil an den gaststegen schon alle plätze belegt sind gehen wir an einem großen katamaran längsseits, der am fischerkai liegt. obwohl die fischer meinen, dass wir an der gegenüberliegenden mole anlegen könnten, dort sei es drei meter tief. aber am fischerkai sind die toiletten näher und die fender werden geschont. fürs nächste mal kann man sich das aber merken. zwei yachten, die später einlaufen, legen sich dann auch in der tat dort hin.
heute morgen dann m. zum bus gebracht, er reist heute ab. gestern noch t. vom bus abgeholt, sodass wir weiterhin zu dritt sind. seit dem frühen morgen ist der hafen in nebel gehüllt, der leichte südostwind treibt ihn vom meer aus übers land. wir haben entschieden, heute einen ruhetag zu machen. ich bin krank, und es wird zeit, das einmal ein bisschen auszukurieren. segeln ist, jedenfalls derzeit für mich, mit dem eigenen boot und den noch fehlenden routinen und der langen liste von dingen, die 'eigentlich' noch zu erledigen wären, anstrengend. bis vorgestern war auch die geschichte mit dem zerreißen von geldscheinen unter der kalten dusche kein witz. für die nächsten tage ist aber eine ostwetterlage angesagt, das bedeutet stabiles wetter, sonne, guter wind.

technik: inzwischen stellen sich schon einige sachen raus, die nochmal geändert werden müssen. an erster stelle der spirituskocher. es mag am kocher liegen oder am brennstoff, aber die flamme rußt die töpfe schwarz und stinkt beim kochen ätzend. ich will auch nicht wissen, wie viel feinstaub wir eigentlich die ganze zeit einatmen, wenn gekocht wird. dieser kocher kommt also definitiv raus und wird durch den petroleumkocher ersetzt, der noch zuhause steht. das nächste sind die winschen. weil ich die neuen auf einen podest setzen wollte, hab ich die alten noch nicht ersetzt. obwohl sie frisch gesäubert und gefettet sind, klemmt an backbord schon wieder die sperrklinke für den kleinen kurbelgang, sodass man die winsch unter last nicht mehr richtig bedienen kann. blöd. umstellen muss ich auch die verteilung von rollen und festpunkten des reffsystems. im moment sitzen die rollen an den vorderen punkten, festgemacht sind die reffleinen dann hinen am baum. es muss aber genau anders herum sein, weil die reffleinen, wenn sie beim ein- und ausreffen durch die rollen laufen, unglaublich reibung haben, sodass man das segel nicht gesetzt kriegt, ohne die reffleinen von hand hinten aus dem baum zu ziehen. und genau das soll das system ja vermeiden.
als wirklich super haben sich die fallenstopper herausgestellt, die ich vor der abfahrt noch montiert hatte. damit lassen sich die fallen sogar ohne mastwinsch auf die richtige spannung bringen, einfach weil die fünf zentimeter, die man beim belegen der klampe unter last immer verliert, jetzt fest bleiben. für die richtige fallspannung und vorliekspannung brauchen wir also gar keine winsch. sehr gut funktioniert auch der selbstgebaute plotter. hinterm schott, an dem der kartentisch sitzt, ist mein laptop in einer passenden halterung, am kartentisch hängt ein acht-zoll-monitor, bedient wird der plotter mit einer wasserdichten maus. damit ist die hardware vor jedem wasser geschützt, selbst wenn bei regen- und starkwindnavigation die maus nass wird. gekostet hat das system keine zweihundert euro inklusive der hochempflindlichen usb-gps-maus mit aktiver antenne, die im schiffsinneren besseren empfang hat als die passive antenne draußen. ende des technischen.

vorhin am busbahnhof in trelleborg, wohin ich m. noch begleitet hatte, dann beim versuch, im kiosk, der auch fahrkarten verkauft, eine fahrkarte zu kaufen, begegnung mit krudem nationalismus: do you accept credit cards? fragen wir. und der besitzer: no, i only take swedish cards and swedish money. dass ein kioskbesitzer nur nationalgeld nimmt, ist mir noch klar, auch wenn das ausgerechnet an einem internationalen fährhafen etwas merkwürdig ist, aber dass kreditkarten sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie international funktionieren und eben nur über nationale banken ausgegeben werden, zeigt, dass es hier nicht um praktische gründe geht (ausländisches geld muss gewechselt werden), sondern um ein verhältnis zum ausländischen, das nicht unbedingt von offenheit geprägt ist. dass sich das ausgerechnet an dem system manifestiert, das für die krise der nationalstaaten mit verantwortlich ist, und dass hier ein kioskbesitzer versucht, dieses system in seinem mikromachtbereich zu verneinen und zu bekämpfen, ist irgendwie ironisch, auch wenn mir nicht genau klar ist, warum. die ankunft hier also geprägt von einem mehrfachen: willkommen in schweden.

01. Aug. 2011

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