Ozeansegeln. Reiseaufzeichnungen |
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gislovs läge
biblische plage zwei stunden später, mitten auf see, zwanzig seemeilen von jeder nächsten küste entfernt, ereilte uns eine biblische plage. es begann harmlos, ein wenig erstaunlich. einige mimikry-fliegen setzten sich aufs boot, schwebfliegen, wie bienen gemustert, aber harmlos. erst fünf, dann zehn, dann fünfzehn. die biester flogen auf gelb, der rettungsring am heckkorb war bald übersät von unzähligen fliegen. wir dachten erst, die kommen aus den segeln, hätten sich während der drei hafentage vor dem dauerregen verkrochen, aber irgendwann wurden es immer mehr, und größere kamen dazu. wir fingen an, einzelne über bord zu werfen. die viecher waren so geschwächt, dass sie tot umfielen, wenn man sie mit dem finger anschnipste. die fliegen mussten von draußen kommen, auf dem wasser, durch das sich das boot langsam schob, schwammen immer wieder tote fliegen vorbei. als dann die cockpitbänke und der boden, der rettungsring und das großsegel fast bedeckt waren und immer mehr fliegen dazu kamen, die sich jetzt auch auf unsere jacken setzten und ins gesicht flogen, begann das schlachtfest. abwechselnd erschlugen wir die fliegen mit der klatsche und spülten dann ihre leichen mit wasser von bord. aber es wurde noch schlimmer. je näher wir der küste kamen, desto kleiner wurden die fliegen, und desto größer die schwärme. irgendwann waren es so viele so kleine fliegen, dass mit der fliegenklatsche nichts mehr auszurichten war. sie stürzten sich auf uns, sodass ich unter deck schutz suchte und die andern beiden ihrem heldenhaften aushalten an deck überließ. das vorschiff und die segel waren übersät mit winzig kleinen insekten, von unten konnte ich sehen, wie sich m. und l. mund und nase zuhielten und immer wieder mit händen und armen wedelten, um sich vor den fliegen zu schützen.
angesichts des massiven fährverkehrs im hafen von trelleborg entschieden wir uns dann doch dagegen, dort anzulegen (die dinger machen krach und stinken) und segelten zum vier seemeilen östlich gelegenen yachthaven gislovs läge. der hafen selbst ist schön, man liegt auf wenigstens 2,2 metern tiefe, bezahlt haben wir für drei personen und das boot pauschal 150,- skr, alles inklusive ("alles" heißt: duschen, waschmaschinen, klo, strom, wasser). weil an den gaststegen schon alle plätze belegt sind gehen wir an einem großen katamaran längsseits, der am fischerkai liegt. obwohl die fischer meinen, dass wir an der gegenüberliegenden mole anlegen könnten, dort sei es drei meter tief. aber am fischerkai sind die toiletten näher und die fender werden geschont. fürs nächste mal kann man sich das aber merken. zwei yachten, die später einlaufen, legen sich dann auch in der tat dort hin.
technik: inzwischen stellen sich schon einige sachen raus, die nochmal geändert werden müssen. an erster stelle der spirituskocher. es mag am kocher liegen oder am brennstoff, aber die flamme rußt die töpfe schwarz und stinkt beim kochen ätzend. ich will auch nicht wissen, wie viel feinstaub wir eigentlich die ganze zeit einatmen, wenn gekocht wird. dieser kocher kommt also definitiv raus und wird durch den petroleumkocher ersetzt, der noch zuhause steht. das nächste sind die winschen. weil ich die neuen auf einen podest setzen wollte, hab ich die alten noch nicht ersetzt. obwohl sie frisch gesäubert und gefettet sind, klemmt an backbord schon wieder die sperrklinke für den kleinen kurbelgang, sodass man die winsch unter last nicht mehr richtig bedienen kann. blöd. umstellen muss ich auch die verteilung von rollen und festpunkten des reffsystems. im moment sitzen die rollen an den vorderen punkten, festgemacht sind die reffleinen dann hinen am baum. es muss aber genau anders herum sein, weil die reffleinen, wenn sie beim ein- und ausreffen durch die rollen laufen, unglaublich reibung haben, sodass man das segel nicht gesetzt kriegt, ohne die reffleinen von hand hinten aus dem baum zu ziehen. und genau das soll das system ja vermeiden. vorhin am busbahnhof in trelleborg, wohin ich m. noch begleitet hatte, dann beim versuch, im kiosk, der auch fahrkarten verkauft, eine fahrkarte zu kaufen, begegnung mit krudem nationalismus: do you accept credit cards? fragen wir. und der besitzer: no, i only take swedish cards and swedish money. dass ein kioskbesitzer nur nationalgeld nimmt, ist mir noch klar, auch wenn das ausgerechnet an einem internationalen fährhafen etwas merkwürdig ist, aber dass kreditkarten sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie international funktionieren und eben nur über nationale banken ausgegeben werden, zeigt, dass es hier nicht um praktische gründe geht (ausländisches geld muss gewechselt werden), sondern um ein verhältnis zum ausländischen, das nicht unbedingt von offenheit geprägt ist. dass sich das ausgerechnet an dem system manifestiert, das für die krise der nationalstaaten mit verantwortlich ist, und dass hier ein kioskbesitzer versucht, dieses system in seinem mikromachtbereich zu verneinen und zu bekämpfen, ist irgendwie ironisch, auch wenn mir nicht genau klar ist, warum. die ankunft hier also geprägt von einem mehrfachen: willkommen in schweden.
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