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Außenborder
Auf unserer Norwegenreise vor zwei Jahren haben wir oft geankert. Das war immer sehr schön. Meistens lagen wir bei eher gutem Wetter in eher kleinen Buchten, sodass wir das nächstgelegene Ufer immer gut mit unserem nicht motorisierten Schlauchboot oder schwimmend erreichen konnten. Und weil wir ab und an in Häfen halt machten, mussten wir auch nichts mit dem Schlauchboot transportieren.
Bei einigen Gelegenheiten aber spürten wir doch den Wunsch nach einem kleinen Motor. Ganz zu Beginn der Reise lagen wir vor Hiddensee vor Anker. Die Boddengewässer sind sehr flach, und die Ufer sind sehr flach, sodass man hier meist ein gutes Stück vom Land entfernt liegt. Starker Nordwind hinderte uns zwei Tage lang an der Weiterfahrt (wir wollten nach Norden), und weil wir Zeit hatten blieben wir einfach in Klimphores Bucht und spazierten am Tag über die Insel.
Wir lagen etwa 500 Meter vom Ufer entfernt, direkt am inneren Rand des Ankerbeckens. Der starke Seitenwind beim Übersetzen trieb das Schlauchboot ziemlich deutlich ab, dazu kam die Strömung, sodass wir vom Boot zum Land und umgekehrt stets 30-40 Grad vorhalten und also gegen Wind und Strömung rudern mussten. Das ging, bei ca. 5-6 Beaufort, war aber ziemlich anstrengend. Die anderen Ankerlieger staunten auch nicht schlecht und beobachteten uns mit Ferngläsern, als wir in einer kleinen Schauerbö die Überfahrt wagten. Und ich war ziemlich froh um diese Beobachtung durch mögliche Retter, falls wir es wider Erwarten nicht zurück zum Schiff schaffen sollten. Am Ende ging es, aber es war sehr anstrengend, und mehr Wind und Strömung hätte es nicht sein dürfen.
An einem Ankerplatz in Norwegen waren wir wiederum selbst Beobachter einer dramatischen Szene, und bereiteten uns gedanklich schon darauf vor, im Notfall zu helfen. Wir saßen gerade unter Deck beim Mittagessen -- draußen blies der Wind recht frisch und ab und zu zog ein Schauer durch --, als wir die lauten Rufe eines Kindes hörten. In der Stimme klang Angst mit, und wir gingen sofort an Deck, um nachzusehen, woher die Rufe kommen. Ein gutes Stück von uns entfernt ankerte eine Segelyacht, eine ältere Dehler von etwa 30-35 Fuß, augenscheinlich gut in Schuss und seetüchtig ausgestattet. Auf der Cockpitbank stand ein Junge und rief laut nach seinem Opa. Wir folgten seinem Blick und sahen den Opa in einem Schlauchboot mühsam gegen den Wind ankämpfen. Obwohl er kräftig ruderte kam er kaum voran. Jedes Mal, wenn ein etwas unpräziser Schlag das Boot ein wenig drehte, drückte der Wind den Bug noch ein Stück weiter zur Seite und das Boot trieb zurück, bis der Mann mit einem weiteren Schlag den Bug wieder in den Wind drehen konnte. So machte er mit drei Schlägen etwas Strecke gut, bis er mit dem vierten Schlag wieder zurück trieb. Der Junge an Bord der Yacht hatte das gemerkt und hatte deshalb Angst um seinen Opa. Der starke Wind wehte ablandig und das Schlauchboot drohte aus der Bucht ins offene Wasser getrieben zu werden.
Wir konnten in dem Moment nichts tun, waren aber schon bereit, den Motor zu starten und den Anker zu lichten, sollte das Schlauchboot wirklich aus der Bucht getrieben werden.
Nach bangen zehn Minuten erreichte das Boot schließlich ruhigeres Wasser und der Mann konnte im Windschatten des Ufers zurück zu seiner Yacht paddeln. Dort empfing ihn der verzweifelte Junge, der seinen Opa stürmisch umarmte. Eine rührende Szene. Der alte Mann beschwichtigte und vertäute das Schlauchboot, dann gingen beide unter Deck. Ein Heißgetränk, Tee oder Kaffee, hatten sich beide redlich verdient.

Für mich war das, auch in Anbetracht unserer eigenen mühsamen Ruderei vor Hiddensee, sehr lehrreich, und auch wenn das sicher in vielen Ratgebern und Lehrbüchern längst drinsteht und ich das für diverse Scheine auch gelernt habe, nahm ich mir nach dieser Szene ganz bewusst vor, für die nächste größere Reise einen zuverlässigen Außenborder anzuschaffen. Und weil wir jetzt dabei sind, eine längere Reise im Sommer vorzubereiten, habe ich endlich einen Außenborder besorgt.
Ich habe viel Zeit damit verbracht, zu überlegen und zu prüfen, welcher Außenborder geeignet ist. Das Szenario für die Formulierung von Kriterien ist Folgendes: Wir haben ein sehr kleines, leichtes Schlauchboot, das bei Flaute nicht viel Schub braucht, andererseits bei starkem Wind leicht abgetrieben wird. Wenn wir unterwegs sind, dann laufen wir oft tagelang keine Häfen an, sondern ankern irgendwo und wollen dann einfach an Land (und wieder zurück zum Boot). Ich bin ein Freund der Reduktion und der Verträglichkeit von Material für Mensch und Umwelt. Dass der Innenborder von Aimé eine ganze Reihe öliger Stoffe braucht (Diesel, Additiv, Motoröl, Getriebeöl), die bei der Verarbeitung nicht gut für die Umwelt und nicht gut für die Haut sind, reicht mir schon. Das wollte ich nicht auch noch für den Außenborder haben. Die wichtigsten Eigenschaften sind deshalb:

  • Elektromotor
  • zuverlässig
  • seewassertauglich
  • wasserdicht
  • leicht
  • robust
  • kostengünstig in der Anschaffung
  • langfristig kostengünstig
Wie so oft gibt es keine Lösung, die alle diese Anforderungen komplett erfüllt, einfach weil kostengünstige Anschaffung und höchste Qualität leider in einem gewissen Spannungsverhältnis stehen. Es geht darum, den besten Kompromiss zu finden.
Vor allem wegen der kostengünstigen Anschaffung sind die günstigen Elektroaußenborder -- die kleinen Modelle sind für unter hundert Euro zu haben, zum Beispiel der kleinste Rhino -- verlockend. Wir brauchen ja nicht viel Kraft für unser Beiboot. Die kleinen brauchen auch nicht viel Strom, also wäre eine kleine Batterie ausreichend. Andererseits gäbe es dann keine oder nur sehr wenig Reserve für Starkwindsituationen.
Aus diesen Überlegungen ergaben sich zwei Szenarien:
  1. Ein günstiger Motor mit einer maximalen Schubkraft von 30 bis 40 Lbs: Ein solcher Motor zieht auf mittlerer Stufe etwa 20 Ampère. Die folgende Tabelle listet die Werte für die Elektromotoren von Rhino.

    Für zwei Stunden Fahrzeit braucht man also entsprechend eine Batterie mit 80 Ampèrestunden. Das ist ziemlich viel. Insgesamt käme dieses System auf ein Gewicht von 30-35 kg mit Anschaffungskosten von 400,- Euro.
  2. Ein kleiner Torqeedo Travel: Dieser Motor erfüllt laut Hersteller alle meine Anforderungen, abgesehen von den Anschaffungskosten. Die sind mit derzeit (April 2016) 1550,- Euro sehr hoch. Bisher ist das aber der einzige Motor, der glaubwürdig salzwassertauglich ist. Alle Materialien sind seewasserfest (Edelstahl, eloxiertes oder beschichtetes Aluminium, Plastik), das Gehäuse und die Leitungen sind wasserdicht nach IP67 (heißt, das Gerät kann untertauchen und ist dicht), mit insgesamt ~20 kg ist das Teil vergleichsweise leicht, was vor allem am integrierten Lithium-Ionen-Akku liegt. Und wenn das Gerät so zuverlässig ist, wie man behauptet, dann sollte auch ein Gebrauchter seinen Dienst erfüllen.
Nach langem Hin und Her habe ich mich jetzt für die zweite Lösung entschieden und gestern einen gebrauchten Torqeedo Travel 503 gekauft. Ich hoffe, dass sich das langfristig auszahlt, weil der Motor auch bei häufiger Benutzung lange hält und wir, weil er einfacher zu händeln ist als ein Motor mit separater, schwerer Batterie, auch leichtherziger und also häufiger ankern (und damit Hafengebühren sparen). Ausschlaggebend war vielleicht am Ende die Robustheit und Zuverlässigkeit, die der Motor verspricht. Der alte Mann, der da in Norwegen mit letzter Kraft zu seiner Yacht zurück fand, auf der sein Enkel verzweifelt nach ihm rief, hatte einen Motor an seinem Schlauchboot, der aber seinen Dienst versagt hatte. Das soll uns auf keinen Fall passieren, schon gar nicht in den weit entfernten und einsamen Gebieten, die wir in diesem Sommer befahren wollen.

17. Apr. 2016

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