Ozeansegeln. Reiseaufzeichnungen

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Besuch vom Zoll
Heute morgen, kaum aufgestanden, Wetter unglaublich und gar nicht typisch -- Himmel blau, Wind sanft -- steh ich im Cockpit, schaue so in die Gegend, sehe ein Motorboot einfahren, denke kurz: Oh, der Samstag in Stokken geht aber früh los, jetzt schon die ersten Ausflügler? Dann dreht das Boot auf den Steg zu, an dem wir mit einer Reihe weiterer Boote liegen, ein junger Mann kommt aus dem Führerhäuschen, stellt sich vorne auf den Bug. Wollen die zu uns? Ja, wollen sie. Jetzt erkenne ich auch die Uniform. Sie kommen bis auf ein paar Meter heran."Snakker du Norsk?" fragt mich der junge Mann. Nej, jag snakker ikke Norsk. English, please. Es ist der Zoll, und man will wissen, was wir an Alkohol dabei haben. Ich zähle es ihm genaustens auf: Eine Flasche Rum, eine Flasche Rotwein, eine Flasche Weißwein, eine Flasche Porto, und ein paar Flaschen Bier. Wieviele Personen an Bord seien? Drei. Alle deutsch? Nein, zweimal deutsch, einmal schwedisch.
Ob er an Bord kommen will, frage ich. Er fragt erstmal über sein Funkgerät den Chef, der noch im Führerhäuschen steht. Was irgendwie komisch wirkt, es sind keine zwei Meter und auf die kurze Distanz höre sogar ich seine Stimme aus dem Gerät. Also geht der Chef zu ihm hin, sie sprechen kurz, dann wird genickt, ja, sie wollen an Bord kommen. Wir sollen die Pässe bereit halten. Na prima. Und das alles vor dem Frühstück und bei bestem Segelwetter.
Unter Deck lässt sich der Zollbeamte unsere Alkoholvorräte zeigen. Die sind einigermaßen verteilt, aber gut sichtbar. Ob das wirklich alles sei, fragt er. Offensichtlich ist ihm das zu wenig. Aber es ist alles. Wir haben einfach kaum Alkohol dabei. Tabak? Auch nicht. Kautabak? Die Frage geht an Daniel. Der schüttelt den Kopf. Kein Tabak, kaum Alkohol, da ist für den Zoll nicht viel zu holen. Zwischendurch fragt er mich noch nach unserer Route und wo wir weiter hin wollen, mit Daniel gibt es ein bisschen scandinavian bonding: Was er denn als Schwede mit zwei Deutschen auf einem Boot mache?
Das Vorschiff lässt er sich von Daniel zeigen, und fragt ihn bei der Gelegenheit nach Drogen. Haben wir aber auch nicht dabei. Das Achterschiff soll ich ihm zeigen, und auch ich werde nach Drogen gefragt. Ob ich noch nie in meinem Leben was genommen habe? Doch, klar, als Teenager, was ausprobiert, aber später nicht mehr.
Die Papiere fürs Boot lässt er sich schon gar nicht mehr zeigen. Ich frage noch danach, wieviel Alkohol man denn überhaupt einführen darf. Eine Flasche harten Alk pro Nase, zwei Flaschen Wein, fünf Liter Bier. Wenn man Zigaretten dabei hat, dann nur zwei Liter Bier. Und ein wenig als Erklärung für die Durchsuchung sagt er, dass deutsche Yachten, die eine Weile in Norwegen unterwegs sind, meist deutlich mehr einführen.
Ich bin froh, als die Herren wieder weg sind. Diese Mikro-Machtsituationen behagen mir nicht. Es liegt schließlich in deren Hand, ob sie es bei ein bisschen psychologisch geschultem Abchecken belassen oder ob sie unser Boot (und uns) richtig gut filzen. Wir waren aber wohl vertrauenserweckend genug, um es bei dem Blick in ein paar Schapps, Schränke und Stauräume zu belassen.

Segelmäßig bringt uns der Tag einmal mehr Gegenwind. Seit Göteborg segeln wir permanent hoch am Wind. So eben auch heute. Was aber innerhalb der Schären deutlich mehr Spaß macht als auf offener See. Eine Fahrt mit starker Krängung, aber ansonsten ruhig. Wir segeln mit dem Großsegel im dritten Reff und der neuen Genua, was uns gute Höhe und guten Speed bringt. Die Landschaft ändert sich langsam. Die Hügel werden höher, auch die Inseln, zwischen denen wir segeln. Der Wald wird etwas dichter. Aber noch immer sind alle Inseln und Ufer mit Sommerhütten gesäumt. Wirklich einsam ist es hier noch nicht. Aber das kommt vielleicht noch.
Jetzt liegen wir in einem Sund, der von zwei hohen Inseln begrenzt wird und für alle Wetterlagen guten Schutz bietet. Von hier aus sind es noch etwa acht Seemeilen bis Lindesnes, dem südlichsten Kap Norwegens. Wenn wir das gerundet haben, ändert sich unser Kurs endlich auf Nordwest, sodass wir nicht mehr gegen den hier mächtig herrschenden Südwestwind ankämpfen müssen. Vielleicht ist uns ja irgendwann mal wieder auch ein Tag mit Wind von hinten vergönnt.

25. Jun. 2016

Küstensegeln
Nachdem wir uns in Arendal einen Tag erholt haben ist jetzt Küstensegeln angesagt. Wir wollen bald in die Region um Bergen kommen, wollen uns aber auch nicht hetzen und setzen auf entspanntes Fahren entlang der Küste innerhalb des Schärengürtels. Gestern: Weil für den Nachmittag Gewitter angesagt sind, starten wir früh, stehen um fünf auf, begrüßen die Sonne, die schon aufgegangen ist, frühstücken eine gute Müslimahlzeit und verlassen dann still und leise den Hafen. Der Wind kommt, wie in den letzten Tagen und eigentlich immer seit unserem Zwischenstop in Göteborg, von vorn. Diesmal aber als sanfte Brise, ohne Wellen. Mit Genua und Großsegel kreuzen wir durch die Schären auf, bis der Wind einschläft. Nach zwei Stunden Motorfahrt erreichen wir die Blindleia ("Einbahnstraße"), ein verzweigtes Gebiet von kleinen Fjorden und Buchten, das, anders als der Name vermuten lässt, mit dem Boot durchfahren werden kann. Gegen zwei erreichen wir Mortensholmen, eine Bucht, die ein kleines Stück vom Hauptfahrwasser weg führt. Mit dem letzten Wind - in der Blindleia haben wir wieder Segel gesetzt, um die Szenerie ganz in Ruhe zu genießen - segeln wir in die Bucht hinter eine kleine Insel und werfen dort den Anker.
Als wir gerade unter Deck sind fängt es an zu regnen. L. ist trotzdem mutig und macht das Schlauchboot klar für eine Expedition an Land. Aber der Wald am Ufer ist zu dicht gewachsen und ein Durchkommen nicht möglich.

Am nächsten Tag, also heute, schlafen wir aus lassen die Sache langsam angehen. Die Erschöpfung sitzt uns noch in den Gliedern. Und Zeitdruck haben wir jetzt keinen mehr. Was sich ziemlich gut anfühlt. Der Regen hat noch nicht aufgehört, aber er lässt langsam nach, als wir den Anker lichten. Die Wolken, die schon den ganzen Morgen tief bis in die Baumwipfel hingen, legen sich langsam als dichter Nebel übers Wasser. Zum Teil können wir keine dreißig Meter weit schauen, wie Gespenster tauchen die Felsen aus dem Dunst auf. Einer von uns ist immer unten am Kartenplotter, um die nächsten Seezeichen und Landspitzen, die oben sichtbar werden, zu identifizieren und den Kurs zu bestimmen. Wir fahren unter Motor, weil der Wind zu schwach ist zum Segeln, und beenden den Tag deshalb schon früh.
Jetzt liegen wir in Stokken, einer kleinen Ausflugsinsel einige Seemeilen vor Kristiansand. Ich schreibe diesen Eintrag um Mitternacht, und draußen ist es immer noch dämmrig. Auf den Booten nebenan ist high life, die Saison ist hier inzwischen eingeläutet. Bei unserem letzten Besuch hier, vor zwei Jahren, lag außer uns nur noch eine andere Segelyacht am Steg, jetzt sind hier insgesamt etwa zwanzig Boote an den Felsen und am Steg vertäut. Einige kennen sich und feiern munter ins Wochenende.
Wenn morgen das Wetter so gut wird, wie angekündigt, machen wir einen längeren Segeltag und ich hoffe, dass wir ein gutes Stück weiter kommen. Aber selbst wenn nicht - ich freue mich schon, wenn es einfach ein sonniger Tag wird.
So sind wir also vom Ozeansegeln wieder zum Küstensegeln gekommen. Und es fühlt sich gut an. Auch wenn es nicht von allzu langer Dauer ist. Spätestens ab dem Kap Lindesnes liegen wieder einige Meilen auf der offenen See vor uns. Ausgeruht sind wir ja jetzt. Sturmerprobt auch. Und hoffentlich schlauer als letztes Mal: den Sprung nach Egersund und Stavanger machen wir nur bei gutem Wetter und passendem Wind.

25. Jun. 2016

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