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Seit zwei Tagen und zwei Nächten stürmt es inzwischen. Das Boot holt bei jeder Bö weit über und reißt inzwischen auch immer stärker an den Leinen. Der Wind hat auf Nordnordwest gedreht und kommt jetzt fast von vorne. Gegen den Südwest- und den Westwind waren wir noch ein wenig geschützt durch ein Haus am Kai, das wie ein Windbrecher wirkte. Mit dem Nordwind jetzt kriegen wir das Ganze nochmal mit full force. Obwohl er wenig Anlauf hat, baut der Wind im Hafenbecken außerdem eine ernstzunehmende Welle auf, die das Boot zusätzlich in Bewegung bringt. Wenn der Wind jetzt noch ein bisschen weiter dreht, wird er das Boot nicht mehr vom Steg weg, sondern dagegen drücken. Deshalb haben wir heute morgen schon die beiden großen Fender aufgeblasen und vorne und achtern platziert. Trotzdem graut es mir vor diesem Scheitelpunkt. Irgendwann im Lauf der Nacht wird das passieren.
Obwohl ich weiß, dass das Boot gut und sicher vertäut ist, raubt mir das heftige Einrucken den Schlaf. Ein Anholen der Spring, um die Vorleine vom Zug nach vorne zu entlasten, hat nicht gefruchtet. Ich sitze also wieder unter Deck und warte, dass der Wind ausreichend ab- oder die Müdigkeit ausreichend zunimmt, um endlich zu schlafen. Inzwischen scheint mir, dass es ewig weiter so stürmen wird. Hat sich in den vergangenen Wochen das Wetter zum Teil mehrmals am Tag verändert, ist jetzt, abgesehen von der sehr graduellen Änderung der Windrichtung, kein Wechsel mehr zu spüren. Und obwohl ich weiß, dass eben diese Windrichtung anzeigt, dass das Sturmtief langsam nach Westen oder Nordwesten abzieht, zeigt sich die Rückseite des Tiefs nicht wie sonst mit eitel Sonnenschein, etwas gemäßigtem Wind und steigendem Luftdruck. Im Gegenteil, die Sonne, die heute am Nachmittag kurzzeitig zu sehen war, ist wieder von Wolken bedeckt, Regen und Hagelschauer ziehen mit heftigen Böen über uns hinweg und der Luftdruck ist, nach kurzem Anstieg, wieder gefallen.
Positiv betrachtet ist es eine Erfahrung, von der ich sicher noch lange zehren werde. Selten zuvor habe ich einen so schweren Sturm erlebt. Zwischendurch habe ich Fluchtgedanken und wäre am liebsten gar nicht hier, sondern wieder zurück in Greifswald, am Ziel dieser Rückreise. Uns stehen noch eine Reihe längerer Passagen über die offene See bevor, von Tananger aus rund ums Kap Lindesnes bis Mandal, und von dort aus die 120 Seemeilen quer übers Skagerrak. Und das nächste Tiefdruckgebiet ist schon im Anzug. Ein Norweger, mit dem wir uns heute unterhalten haben und der das Wetter und die Gegend hier kennt, meinte, dass so ein Tief normalerweise frühestens Ende Oktober, eher im November zu erwarten ist und für Anfang August nicht normal ist. Er muss es wissen, er arbeitet auf einer Ölförderplattform draußen vor der Küste. Einerseits ist das beruhigend, weil es heißt, dass wir darauf hoffen können, dass sich das jetzt nicht so schnell wiederholt. Andererseits ist es aber auch beunruhigend, weil es heißt, dass die Herbst- und Winterstürme uns auch jetzt schon erwischen können. In den pilot charts ist der August bereits ein schlechter Monat, was Stürme angeht. Statistisch gesehen sind Stürme hier zwar nicht so wahrscheinlich wie in den folgenden Herbstmonaten, aber sie sind auch nicht so unwahrscheinlich wie in den Sommermonaten Juni und Juli, in denen es so gut wie keine Stürme gibt. Deshalb endet die Saison hier auch pünktlich am 15. August.
Das alles wussten wir. Und für diese Tage und diese Nächte hatte es der Wetterbericht auch vorhergesagt: Bis zu 50 Knoten Wind. 47 Knoten hat die Wetterstation von Fedje gemessen, die etwa dreihundert Meter von unserem Liegeplatz entfernt ist. Das sind neun Beaufort oder schlicht und ergreifend: Sturm. Was das auch im Hafen an Anspannung und Anstrengung bedeutet, war mir vorher nicht klar. Ich bin belehrt. Das kann deshalb von mir aus auch gerne mal wieder aufhören.

10. Aug. 2016

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